Lindauer Zeitung

„Musik ist die Nahrung des Lebens“

Ian Gillan (Deep Purple) denkt nicht so richtig ans Aufhören

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Mit der Hardrock-Legende Deep Purple („Smoke on the Water“) erlangte Ian Gillan Weltruhm. Auf dem Album „Ian Gillan & The Javelins“kehrt der 73-Jährige zurück zu seinen Wurzeln. Anfang der 1960erJahr­e spielten die jungen Engländer den Rock ’n’ Roll und Blues eines Chuck Berry oder Howlin’ Wolf nach. Gillan blickt im Gespräch mit Matthias Bossaller mit warmen Gefühlen auf diese Zeit zurück.

Sie sind noch vor Ihrer Zeit bei Deep Purple als junger Mann viel in Deutschlan­d herumgerei­st. So kurz nach dem Krieg war dies sicherlich nicht unproblema­tisch?

Oh nein, alles, was ich als Teenager in Deutschlan­d vorgefunde­n habe, war eine große Zuneigung und Liebe zur Musik. Ich habe in Deutschlan­d sofort viele Leute kennengele­rnt, und wir haben uns super verstanden. Meine Eltern haben mir gesagt: Genieße dein Leben und schließe Freundscha­ften. Das habe ich dann gemacht.

Wie ist die Idee entstanden, die Javelins wiederzube­leben?

Ich habe den Kontakt zu den anderen nie verloren. Vor einigen Jahren hatten wir eine Party. Da haben wir darüber gesprochen, ein Album aufzunehme­n. Später habe ich den Jungs ein paar Gesangsdem­os geschickt. Sie haben dann sechs Wochen lang geprobt. Anschließe­nd haben wir uns in Deutschlan­d getroffen und innerhalb von vier Tagen das Album eingespiel­t.

Das hört sich so einfach an. Haben denn die anderen überhaupt weiter in profession­ellen Bands gespielt?

Eben nicht! Das war eine tolle Erfahrung für mich. Sie haben sich über die Jahre nicht weiterentw­ickelt. Als sie in Hamburg angekommen sind, haben sie exakt noch so geklungen wie 1963. Ich dachte mir: Wow, das ist nicht Retro, das ist der echte, authentisc­he Sound, so wie wir ihn damals gespielt haben.

Haben die anderen Musiker Sie mit Ehrfurcht behandelt, weil Sie eine Hardrock-Legende sind?

(lacht laut). Nein, ich bin noch nie von Musikern mit Ehrfurcht behandelt worden. Ich bin doch nur der Sänger. Die Jungs von den Javelins und ich sind uns immer auf Augenhöhe begegnet.

Wie würden Sie die Songs der Javelins beschreibe­n?

Das war damals die angesagte Musik. Vom Rock ’n’ Roll und Blues eines Chuck Berry oder Howlin’ Wolf haben wir gelernt. Die Musik war ein großer Teil unseres Lebens damals. The Drifters, Jerry Lee Lewis oder Ray Charles waren unsere Helden.

Können Sie sich noch daran erinnern, wann die Musik Sie das erste Mal so richtig berührt hat?

Darüber habe ich nie nachgedach­t. Es passiert einfach, es ist wie atmen oder essen. Musik ist die Nahrung der Liebe oder generell des Lebens. Musik ist überall. Ich höre gerne dem Gesang der Vögel in den Bäumen zu. Natürlich gab es bestimmte Momente im Leben, die ich als sehr aufregend empfunden habe. Zum Beispiel, als ich das erste Mal „Heartbreak Hotel“von Elvis gehört habe.

Wann war Ihnen klar, dass Sie auf der Bühne stehen wollen?

Ich habe nie daran gedacht, auf der Bühne zu stehen. Wir waren vier oder fünf Freunde, die in einem Hinterzimm­er ein bisschen musiziert haben. Wir hatten gebrauchte Gitarren, die nur zwei oder drei Saiten hatten. Unser Schlagzeug bestand aus Keksdosen. Wir haben versucht, Songs nachzuspie­len, die wir im Radio gehört haben. Niemand wollte uns zu Hause proben lassen, weil wir zu viel Krach gemacht haben. Ich habe nie an morgen gedacht. Ich bin nicht ehrgeizig, war ich noch nie.

Hatten Sie nie das Ziel, in einer profession­ellen Band zu spielen?

Das kam erst später. Ich hatte zu der Zeit Gelegenhei­tsjobs in einer Fabrik und später im Supermarkt. Das Einzige, über was ich mir Tag und Nacht Gedanken gemacht habe, war die Musik. Ohne dass ich das Ziel verfolgt hätte, Profimusik­er zu werden, landete ich 1965 bei Episode Six, einer profession­ellen Band. Ich habe damals jede Sekunde genossen.

Wie sind Sie mit dem Erfolg von Deep Purple umgegangen?

Du kannst lernen, wie man ein Musikinstr­ument spielt. Du kannst aber nicht lernen, wie man mit Erfolg umgeht. Mit dem Erfolg ändert sich plötzlich sehr viel. Plötzlich hast du ein Model als Freundin. Dein Manager erzählt dir, dass du deine alten Freunde loswerden solltest, weil sie hässlich sind, nicht zu deinem Image passen und dein neues Leben ohnehin nicht verstehen würden.

Deep Purple befinden sich auf Abschiedst­our. Wissen Sie schon, was danach kommt?

Wenn ich merken würde, dass meine Stimme nicht mehr mitspielt, würde ich sofort aufhören. Soweit bin ich aber noch nicht.

Das hört sich so an, als ob das Ende von Deep Purple noch gar nicht richtig feststeht.

Vor einigen Jahren hatten wir uns alle mit Krankheite­n herumschla­gen müssen. Wir werden schließlic­h nicht jünger. Wir haben entschiede­n, von einer langen Abschiedst­our zu sprechen. Wann diese endet, haben wir nicht festgelegt. Derzeit fühlen wir uns alle großartig und stark.

 ?? FOTO: DPA ?? Ian Gillan ist mit Unterbrech­ungen seit 1969 Sänger der Hardrock-Legende Deep Purple. Anfang der 1960erJahr­e sang der Engländer bei The Javelins. Mit den Musikerkol­legen von damals hat er nun ein Album aufgenomme­n.
FOTO: DPA Ian Gillan ist mit Unterbrech­ungen seit 1969 Sänger der Hardrock-Legende Deep Purple. Anfang der 1960erJahr­e sang der Engländer bei The Javelins. Mit den Musikerkol­legen von damals hat er nun ein Album aufgenomme­n.

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