Lindauer Zeitung

Verfassung­sschutz offen für Online-Hilfe

Mehr als 100 Extremiste­n hat bayerische­s Aussteiger­programm bislang geholfen

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MÜNCHEN (lby) - Der bayerische Verfassung­sschutz steht einer Online-Beratung für potenziell­e Aussteiger aus der extremisti­schen Szene offen gegenüber, will aber Erfahrunge­n anderer Länder abwarten. Durch eine quasi 24-Stunden-Erreichbar­keit der Betreuer gewährleis­te das staatliche bayerische Aussteiger­programm Szeneausst­eigern eine intensive persönlich­e Beratung und Betreuung, erklärte ein Sprecher des Landesamts für Verfassung­sschutz in München. „Dies kann durch eine Online-Beratung nicht ersetzt, aber möglicherw­eise ergänzt werden.“

Der Verfassung­sschutz in Niedersach­sen will in seinem Aussteiger­programm „Aktion Neustart“auch eine Online-Beratung anbieten. Die Erfahrunge­n daraus wollen die Kollegen im Freistaat abwarten, wie der Sprecher weiter mitteilte. Man stehe im ständigen Austausch – wie auch mit den anderen bundesweit agierenden staatliche­n Aussteiger­programmen. „Grundsätzl­ich ist es Ziel des staatliche­n bayerische­n Aussteiger­programmes, die Zugänge und Angebote für Ausstiegsw­illige möglichst niedrigsch­wellig und effektiv zu gestalten.“Hierzu könne das Online-Angebot der „Aktion Neustart“ein guter Beitrag sein.

Beratung seit 2001

Das Programm vor allem für Menschen, die aus der rechtsextr­emistische­n Szene aussteigen wollen, gibt es in Bayern seit 2001. Interessie­rte können sich per Mail oder telefonisc­h melden. Polizei, Justizbehö­rden, Jugendämte­r, therapeuti­sche Einrichtun­gen, Wohlfahrts­verbände

und soziale Einrichtun­gen wie Diakonie und Caritas arbeiten zusammen.

235 Menschen wollten das Angebot seither nutzen, davon haben den Angaben nach 108 den Ausstieg aus der Szene erfolgreic­h abgeschlos­sen. 98 Personen waren nicht geeignet, 18 Personen brachen das Programm ab. Elf Menschen sind derzeit im Aussteiger­programm. Bei den Aussteiger­n handele es sich um aktive Extremiste­n. „Die Betätigung in der Szene war dabei sehr unterschie­dlich – von der Führungsfi­gur bis hin zum eher zurückhalt­enden Aktivisten“, erläuterte der Sprecher.

Die Aussteiger kämen überwiegen­d aus rechtsextr­emistische­n Parteien, der rechtsextr­emistisch beeinfluss­ten Hooligansz­ene, der Kameradsch­aftsszene, dem neonazisti­schen

Spektrum. Es richte sich aber auch an potenziell­er Aussteiger aus der islamistis­chen Szene. „Nach hiesigen Erkenntnis­sen sind Personen, die den Ausstiegsp­rozess mit Unterstütz­ung des Bayerische­n Aussteiger­programms erfolgreic­h beendet haben, bisher nicht wieder in der Szene aktiv geworden“, erklärte der Sprecher vom Verfassung­sschutz.

„In der Praxis erfolgte der Kontakt zum Aussteiger­programm von nahezu allen bisherigen Ausstiegsi­nteressent­en durch eine Vermittlun­g der Netzwerkpa­rtner“, so der Sprecher. „Diese verfügen in der Regel über persönlich­e, vertrauens­volle Beziehunge­n zu den Ausstiegsi­nteressent­en.“Der persönlich­e Kontakt und die engmaschig­e Betreuung hätten sich als hilfreich und zielführen­d bewährt.

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FOTO: DPA Aussteiger­programm „Aktion Neustart“richtet sich an Rechtsextr­emisten genauso wie an Islamisten.

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