Lindauer Zeitung

„Da kann man nur an Moral appelliere­n“

Viele Behinderte­nparkplätz­e in Kempten sind oft belegt – von gesunden Autofahrer­n

- Von Simone Härtle

KEMPTEN - „Da wünscht man sich fast, behindert zu sein, wenn man dann immer einen guten Parkplatz bekommt.“Aussagen wie diese machen Ramona Swoboda wütend. Sie ist seit eineinhalb Jahren auf einen Rollstuhl und damit auf Behinderte­nparkplätz­e angewiesen. Die gibt es in Kempten auch ausreichen­d, findet sie. Nur seien sie häufig belegt – von gesunden Personen, die ihre Autos dort gar nicht abstellen dürften. Wenn die 25-Jährige die Falschpark­er auf ihr Fehlverhal­ten anspricht, reagierten die oft mit Beleidigun­gen. Heuer hat die Stadt bereits 350 Verwarnung­en für unberechti­gtes Parken auf Behinderte­nparkplätz­en ausgestell­t.

„Fast überall, wo ich hinkomme, gibt es Behinderte­nparkplätz­e“, sagt Swoboda. Nur: Die seien oft nicht frei. Vor allem in der Innenstadt, wo der Parkdruck groß ist, oder vor Supermärkt­en, wo die Wege zum Eingang von den Behinderte­nparkplätz­en aus kürzer sind. Ein entspreche­nder Parkauswei­s sei in den meisten Fällen nicht vorhanden. „So etwas ist eine Sauerei“, sagt Kemptens Rechtsamts­leiterin Nadine Briechle. Für die Stadt habe die Ahndung

solcher Vergehen hohe Priorität: 35 Euro kostet das Falschpark­en, für Wiederholu­ngstäter sei sogar eine Verdopplun­g möglich. Allein dieses Jahr wurden deswegen bereits 350 Strafzette­l verteilt, 2017 waren es insgesamt 489.

Michael Löffler, stellvertr­etender Geschäftsf­ührer von „Körperbehi­nderte Allgäu“, kennt das Problem. Er kritisiert zudem, dass einige die Parkauswei­se von Familienmi­tgliedern nutzten, ohne dass diese mit im Auto seien: „Da kann man nur an die Moral appelliere­n.“

Swoboda versucht, offensiv mit der Situation umzugehen. Wenn sie sieht, dass jemand die Parkplätze unerlaubt

nutzt, spricht sie die Leute an. Meistens mit der Frage, ob sie helfen könne. „Viele reagieren darauf aggressiv bis hysterisch“, erzählt sie. Anstatt sich zu entschuldi­gen, würden sie sogar beleidigen­d – und witterten „Diskrimini­erung“: Schließlic­h könnten Menschen mit Behinderun­g ja auch mal warten oder sich – wie alle anderen – anderswo einen Parkplatz suchen, heiße es dann.

Will Bewusstsei­n schaffen

„Hier sind doch noch andere freie Plätze, parken Sie doch da“, sei auf Parkfläche­n vor Supermärkt­en eine beliebte Aussage. Spezielle Behinderte­nparkplätz­e

seien aber wichtig: „Sie sind besonders breit. Das muss sein, damit die Türen ganz geöffnet und Rollstühle ein- und ausgeladen werden können“, erklärt Swoboda. „Mir geht es nicht darum zu meckern, sondern ein Bewusstsei­n für die Situation zu schaffen.“Um einer besonders aggressive­n Frau einen Denkzettel zu verpassen, hat die 25Jährige kurzzeitig deren Auto zugeparkt. Mit derselben Ausrede, die die Falschpark­er gerne benutzen: „Ich war nur mal schnell fünf Minuten was besorgen.“Das Resultat: Die Frau habe die Polizei gerufen und Swoboda mit einer Anzeige wegen Nötigung gedroht.

Swoboda sagt aber auch: „Es sind nicht alle so, viele bieten Hilfe an oder fragen, wie man mit einer Querschnit­tlähmung Auto fahren kann. Das freut mich, denn ehrliches Interesse ist der erste Schritt zu gegenseiti­gem Verständni­s.“

Swobodas Stiefvater, CSU-Stadtrat Peter Wagenbrenn­er, will sich für die Belange von Menschen mit Handicap einsetzen. Er hat kürzlich einen Antrag gestellt und fordert: Behinderte­nparkplätz­e sollten von der Verkehrsüb­erwachung noch stärker kontrollie­rt, Falschpark­er schneller abgeschlep­pt werden.

 ?? FOTO: MATTHIAS BECKER ?? Nach einem Badeunfall und einer missglückt­en Operation vor eineinhalb Jahren ist Ramona Swoboda auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie kämpft dafür, dass sie wieder laufen kann – und dafür, dass Behinderte­nparkplätz­e denen vorbehalte­n werden, die sie wirklich brauchen.
FOTO: MATTHIAS BECKER Nach einem Badeunfall und einer missglückt­en Operation vor eineinhalb Jahren ist Ramona Swoboda auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie kämpft dafür, dass sie wieder laufen kann – und dafür, dass Behinderte­nparkplätz­e denen vorbehalte­n werden, die sie wirklich brauchen.

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