„Da kann man nur an Moral appellieren“
Viele Behindertenparkplätze in Kempten sind oft belegt – von gesunden Autofahrern
KEMPTEN - „Da wünscht man sich fast, behindert zu sein, wenn man dann immer einen guten Parkplatz bekommt.“Aussagen wie diese machen Ramona Swoboda wütend. Sie ist seit eineinhalb Jahren auf einen Rollstuhl und damit auf Behindertenparkplätze angewiesen. Die gibt es in Kempten auch ausreichend, findet sie. Nur seien sie häufig belegt – von gesunden Personen, die ihre Autos dort gar nicht abstellen dürften. Wenn die 25-Jährige die Falschparker auf ihr Fehlverhalten anspricht, reagierten die oft mit Beleidigungen. Heuer hat die Stadt bereits 350 Verwarnungen für unberechtigtes Parken auf Behindertenparkplätzen ausgestellt.
„Fast überall, wo ich hinkomme, gibt es Behindertenparkplätze“, sagt Swoboda. Nur: Die seien oft nicht frei. Vor allem in der Innenstadt, wo der Parkdruck groß ist, oder vor Supermärkten, wo die Wege zum Eingang von den Behindertenparkplätzen aus kürzer sind. Ein entsprechender Parkausweis sei in den meisten Fällen nicht vorhanden. „So etwas ist eine Sauerei“, sagt Kemptens Rechtsamtsleiterin Nadine Briechle. Für die Stadt habe die Ahndung
solcher Vergehen hohe Priorität: 35 Euro kostet das Falschparken, für Wiederholungstäter sei sogar eine Verdopplung möglich. Allein dieses Jahr wurden deswegen bereits 350 Strafzettel verteilt, 2017 waren es insgesamt 489.
Michael Löffler, stellvertretender Geschäftsführer von „Körperbehinderte Allgäu“, kennt das Problem. Er kritisiert zudem, dass einige die Parkausweise von Familienmitgliedern nutzten, ohne dass diese mit im Auto seien: „Da kann man nur an die Moral appellieren.“
Swoboda versucht, offensiv mit der Situation umzugehen. Wenn sie sieht, dass jemand die Parkplätze unerlaubt
nutzt, spricht sie die Leute an. Meistens mit der Frage, ob sie helfen könne. „Viele reagieren darauf aggressiv bis hysterisch“, erzählt sie. Anstatt sich zu entschuldigen, würden sie sogar beleidigend – und witterten „Diskriminierung“: Schließlich könnten Menschen mit Behinderung ja auch mal warten oder sich – wie alle anderen – anderswo einen Parkplatz suchen, heiße es dann.
Will Bewusstsein schaffen
„Hier sind doch noch andere freie Plätze, parken Sie doch da“, sei auf Parkflächen vor Supermärkten eine beliebte Aussage. Spezielle Behindertenparkplätze
seien aber wichtig: „Sie sind besonders breit. Das muss sein, damit die Türen ganz geöffnet und Rollstühle ein- und ausgeladen werden können“, erklärt Swoboda. „Mir geht es nicht darum zu meckern, sondern ein Bewusstsein für die Situation zu schaffen.“Um einer besonders aggressiven Frau einen Denkzettel zu verpassen, hat die 25Jährige kurzzeitig deren Auto zugeparkt. Mit derselben Ausrede, die die Falschparker gerne benutzen: „Ich war nur mal schnell fünf Minuten was besorgen.“Das Resultat: Die Frau habe die Polizei gerufen und Swoboda mit einer Anzeige wegen Nötigung gedroht.
Swoboda sagt aber auch: „Es sind nicht alle so, viele bieten Hilfe an oder fragen, wie man mit einer Querschnittlähmung Auto fahren kann. Das freut mich, denn ehrliches Interesse ist der erste Schritt zu gegenseitigem Verständnis.“
Swobodas Stiefvater, CSU-Stadtrat Peter Wagenbrenner, will sich für die Belange von Menschen mit Handicap einsetzen. Er hat kürzlich einen Antrag gestellt und fordert: Behindertenparkplätze sollten von der Verkehrsüberwachung noch stärker kontrolliert, Falschparker schneller abgeschleppt werden.