Lindauer Zeitung

„Wann geht das Kinderprog­ramm los?“

Gäste in Berghütten stellen immer mehr Ansprüche bis hin zur Animation für die Kleinen

- Von Werner Kempf

OBERALLGÄU - Über manche Gäste kann Josef Adam nur den Kopf schütteln. Vor ein paar Jahren übernachte­te eine Familie im Prinz-Luitpoldha­us im Hinterstei­ner Tal. Am nächsten Tag fragte der Vater, „wann denn das Kinderprog­ramm losgeht“, erinnert sich Hüttenwirt Adam. Das Anspruchsd­enken der Bergwander­er sei in den vergangene­n Jahren deutlich gewachsen, berichten auch Adams Kollegen. Viele Hüttenbesu­cher fragen zum Beispiel nach Kaffee-Automaten und Internet-Verbindung­en.

„Die Leute erwarten den gleichen Luxus, den sie im Tal haben, auch hier auf der Hütte“, sagt Adam. Sein Haus, das früher einmal eine Schutzhütt­e war, hat derzeit 280 Schlafplät­ze, davon 235 Lagerplätz­e. Der erste Frage vieler junger Besucher sei, „wie lautet denn hier der WLANCode“. Generell würden seit etwa

fünf Jahren immer mehr Gäste kommen. Unter anderem deshalb, weil viele inszeniert­e Fotos in sozialen Netzwerken von Sonnenaufg­ängen und Sonnenunte­rgängen bei vielen Jugendlich­en Sehnsüchte auslösten. Sie wollen Wildheit, Abenteuer und Freiheit erleben, vermutet Adam.

Aufgrund der großen Nachfrage hat der Hüttenwirt deshalb vor drei Jahren beschlosse­n, für Online-Buchungen eine Stornogebü­hr von zehn Euro pro Tag zu verlangen, wenn nicht 24 Stunden vorher abgesagt wird. Denn von 250 angemeldet­en Gästen seien an manchem Wochenende oft nur 100 gekommen, was dazu führte, „dass ich auf meinen Waren sitzen geblieben bin“. Doch die, die kommen, sind in der Regel sehr umweltbewu­sst. „Die nehmen ihren Müll wieder mit ins Tal“, berichtet Adam.

Dass die Ansprüche bei den Bergwander­ern gestiegen sind, hat auch Matthias Geiger vom EdmundProb­st-Haus

am Nebelhorn festgestel­lt. Früher habe es auf den Hütten ein Waschbecke­n getan, „heute ist eine Dusche mit Warmwasser Standard“, sagt der Hüttenwirt. Der Bau neuer Hütten mit viel Komfort würde natürlich Begehrlich­keiten bei den Gästen wecken. Auch bei ihm fragen die Besucher gleich bei der Ankunft, wie sie ins Internet kommen. Aber ein WLAN gibt es im Edmund-Probst-Haus nicht. Und auch keinen Handy-Empfang. Ebenfalls zugenommen hat die Nachfrage nach hochwertig­en Gerichten. „Deshalb bieten wir auch vegetarisc­he Speisen an“, sagt Geiger. Der Trend, auf die Berge zu steigen, werde weitergehe­n, glaubt der Hüttenwirt. Die Sommerwoch­enenden in seiner Hütte sind schon seit Anfang Mai ausgebucht. Aber unter der Woche seien kurzfristi­ge Buchungen noch möglich.

Rapide nach oben gegangen sind auch die Übernachtu­ngszahlen in

der Kemptner Hütte, sagt Hüttenwirt­in Gabi Braxmair. Sie liegt am Beginn des beliebten Fernwander­weges E5, des Steinbockw­eges und des Heilbronne­r Weges.

Laktosefre­ie Speisen

„Die Ansprüche steigen, aber im Großen und Ganzen sind die Gäste mit einem Schlafplat­z zufrieden“, lässt Braxmair wissen. Das Angebot auf ihrer Speisekart­e hat allerdings in den vergangene­n Jahren zugenommen. Inzwischen werden auch vegane Gerichte und laktosefre­ie Speisen angeboten. „Wir haben unsere Speisekart­e so gestaltet, das für jeden etwas dabei ist. Man muss einfach auch mit der Zeit gehen“, begründet Braxmair das kulinarisc­he Angebot. WLAN sei zwar ganz wichtig für den Gast. Aber wenn man ihm erklärt, dass wir es nicht haben, hätten die meisten Verständni­s“.

„Den Komfort, den der Gast im Tal vorfindet, möchte er auch auf der Hütte“, berichtet Harald Platz, Vorstand des Deutschen Alpenverei­ns, Sektion Allgäu-Kempten. „Aber diesen Trend werden wir nicht mitmachen“, versichert der DAV–Chef. So werden in der Kemptner Hütte, die von der Sektion Allgäu-Kempten unterhalte­n wird, zwar die Waschräume vergrößert, „auf Duschen soll bei der Sanierung aber verzichtet werden. Die Zahl der Schlafplät­ze wird nicht erweitert“, sagt Platz. Generell sei das 1891 gebaute Haus eine Schutzhütt­e und kein Hotel. „Ihren Charme wird die Kemptner Hütte auf keinen Fall verlieren“, verspricht Platz.

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FOTO: RALF LIENERT Das Matratzenl­ager in der Kemptner Hütte ist nach wie vor sehr gefragt bei den Bergwander­ern.
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FOTO: MUNKLER Moderne Unterkünft­e sehen heute so aus wie die im neu gebauten Waltenberg­erhaus.

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