Der ewige Sommer in Europa
Ein Sommer – und sei er auch noch so heiß und trocken – führt insbesondere in seinem Finale zu einer gewissen Melancholie. Denn das Ende eines Sommers ist ja auch immer ein bisschen wie ein kleiner Tod: Das Jahr hat seinen Zenit überschritten, in den Blättern der Bäume fließt alsbald nicht mehr der grüne Saft des puren Lebens. Und selbst rot glühendes Laub kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass da gerade etwas zu Ende geht.
Umso bemerkenswerter wirken die Beteuerungen aus Brüssel, den Sommer schon bald nie mehr zu Ende gehen lassen zu wollen. Mit JeanClaude Juncker dreht gerade niemand Geringeres als der EU-Kommissionspräsident persönlich an der Uhr und verspricht die „ewige Sommerzeit“. Denn schließlich haben sich mehr als 80 Millionen Europäer dafür ausgesprochen, das alljährliche Hin und Her in den Zeitsprüngen zu beenden. Diesen erklärten Willen auch umzusetzen, habe jetzt natürlich hohe Priorität, erklären dieser Tage nicht wenige Politiker.
Wir können also mit der allergrößten Zuversicht in die sonnenbeschienene Zukunft Europas blicken. Denn wer das kolossale Kunststück fertigbringt, den Lauf der Zeit nachhaltig vor- oder auch zurückzudrehen, der wird ganz sicher auch die Umsetzung so vergleichsweise banaler Ziele wie die Solidarität unter den Völkern Europas, die Beseitigung der Jugendarbeitslosigkeit, die Sicherstellung der Pressefreiheit und den Erhalt des Friedens zu bewerkstelligen wissen. Denn es wäre auch wirklich jammerschade, wenn trotz des ewigen Sommers in Europa das Licht ausginge. (nyf )