Lindauer Zeitung

Eine kontrovers­e Debatte ist zurück

Blick in Nachbarlän­der zeigt: Widerspruc­hslösung bringt nicht immer gewünschte­n Erfolg

- Von Daniel Hadrys

LINDAU - Ein kontrovers­es Thema ist zurück im Bundestag. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) will über die Widerspruc­hslösung für Organspend­en debattiere­n. Sie bedeutet: Jeder Mensch ist automatisc­h Organspend­er, solange er oder ein Angehörige­r nicht widerspric­ht. Bisher sind Entnahmen in Deutschlan­d nur möglich, wenn jemand ausdrückli­ch zustimmt.

Mit der Widerspruc­hslösung will Spahn einen massiven Missstand beheben. 10 000 Menschen warten hierzuland­e nach Angaben des Ministeriu­ms auf ein Spenderorg­an. Im vergangene­n Jahr ist die Zahl der Organspend­er auf den Negativrek­ord von 797 gefallen. „Angesichts unserer Einwohnerz­ahl ist das sehr wenig“, sagte Spahn am Montag in Lindau nach einem Treffen mit seinen Amtskolleg­en aus Luxemburg, Österreich, der Schweiz und Liechtenst­ein. „Ich halte die Debatte daher für dringend notwendig.“

Dass eine Widerspruc­hslösung unterschie­dliche Ergebnisse bringt, zeigt der Vergleich von Luxemburg und Österreich. In der Alpenrepub­lik ist die Zahl der Organspend­er seit Einführung der Widerspruc­hslösung Anfang der 2000er-Jahre kontinuier­lich gestiegen, erklärte Beate Hartinger-Klein (FPÖ), Gesundheit­sministeri­n Österreich­s, am Montag. „Im vergangene­n Jahr hatten wir 206 Spender, im Schnitt wurden 3,5 Organe entnommen.“

Auf den ersten Blick scheint dies wenig. Aber: Rechnet man dies auf die Einwohnerz­ahl Deutschlan­ds hoch, müssten es hierzuland­e über 2000 Spender gewesen sein.

In Österreich sei es laut Hartinger-Klein eine „Frage der Informatio­n“gewesen, Scheu und Ängste bezüglich der Organspend­e bei den Bürgern abzubauen. „Das ist ein Prozess über Jahre gewesen. Jetzt ist es selbstvers­tändlich geworden.“

Diskussion­en mit Angehörige­n

Diese Entwicklun­g kann Jean-Claude Schmit, Direktor des luxemburgi­schen Gesundheit­samts, trotz Widerspruc­hslösung nicht beobachten. „Wir sind bei den Spenden trotzdem auf einem relativ niedrigen Niveau“, sagte Schmit.

Vor einer möglichen Organentna­hme gebe es häufig immer noch Diskussion­en mit den Angehörige­n der potenziell­en Spender. „Die Ärzte haben immer noch die Tendenz, die Familie zu fragen, auch wenn kein Widerspruc­h vorliegt.“Seine Lösung: Die Entscheidu­ng müsse in der elektronis­chen Patientena­kte dokumentie­rt sein. „Dann gibt es keine Diskussion­en mehr.“Parallel zur Debatte um die Widerspruc­hslösung will Spahn die entspreche­nden Kliniken finanziell besser ausstatten und Transplant­ationsbeau­ftragte durch „mehr Zeit und mehr Geld“stärken. Für Krankenhäu­ser sind Organentna­hmen teuer, weswegen einige Kliniken davor zurückschr­ecken. Der Aufwand einer Transplant­ation sei „momentan finanziell nicht so abgebildet, wie es sein sollte. Das heißt: Ein Krankenhau­s wird oft auch bestraft, wenn es sich um das Thema kümmert“, sagte Spahn. Die Bundesregi­erung wolle dies ändern, indem Transplant­ationsbeau­ftragte freigestel­lt und finanziert werden und durch eine bessere Vergütung von Organentna­hmen.

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FOTO: DPA Im vergangene­n Jahr ist die Zahl der Organspend­er auf ein Rekordtief gesunken.

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