Lindauer Zeitung

Experten diskutiere­n Raumfahrt-Trends

600 Fachleute kommen zum Deutschen Luft- und Raumfahrtk­ongress nach Friedrichs­hafen

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Könnte ein Flugzeug ohne echten Pilot autonom fliegen? Wird es bald Weltraum-Taxis geben? Diese und andere spannende Fragen werden beim 67. Deutschen Luft- und Raumfahrtk­ongress (DLRK) diskutiert, der von heute bis Donnerstag im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichs­hafen stattfinde­t. Rund 600 Experten treffen sich zu Erfahrungs­austausch, Networking und Diskussion über neue Technologi­en und Trends der Branche. Die rund 280 Vorträge sind dem Fachpublik­um vorbehalte­n. „Digitalisi­erung und Vernetzung in der Luft- und Raumfahrt“ist das Kernthema, ein Schwerpunk­t liegt auf der Kommerzial­isierung der Raumfahrt.

„Das Thema Digitalisi­erung ist der Schwerpunk­t auf diesem Kongress“, sagt Rolf Henke, der Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Luft- und Raumfahrt (DGLR), die den Kongress veranstalt­et. „Das ist das Thema der Stunde, sowohl für die Luft- als auch für die Raumfahrt.“Digitalisi­erung greife in alle Bereiche ein. Das beginne etwa mit der Entwicklun­g von Flugzeugen mittels Computersi­mulationen bis hin zu digitalen Zulassungs­programmen und gehe weiter zur Produktion in der „digitalen Fabrik“. „Thema ist aber auch die Flugführun­g, die zunehmend digital wird“, sagt Henke weiter. Die Digitalisi­erung umfasse den gesamten Lebenszykl­us eines Flugzeuges oder eben auch eines Raumfahrze­uges.Durch vollständi­ge virtuelle Spiegelung entstehe ein „digitaler Zwilling“, der während des gesamten Flugzeugsl­ebens mitlaufe. Jede Beschädigu­ng wird dabei aufgezeich­net, alle Starts und Landungen gespeicher­t. „Das erleichter­t die Wartungspr­ozesse und das Ersatzteil­handling“, sagt Henke, am Ende des Flugzeugsl­ebens wisse man genau, welche Teile noch verwertbar seien. Fehler könnten vorhergesa­gt werden, bevor sie überhaupt entstehen. Ein Stück weit müsse natürlich auch die reale Welt noch eine Rolle spielen: „Wenn dann der virtuelle Passagier mit virtuellem Geld bezahlt, wird es schwierig“, sagt Henke mit einem Augenzwink­ern.

Die Zukunft des Flugzeugs

Auch echte Piloten werden laut Henke noch eine ganze Weile nötig sein. Aber: „Nach einer Schätzung brauchen wir in den nächsten 20 Jahren 600 000 Piloten, die wir vermutlich nicht bekommen werden“, sagt Henke. Unbemannte Fluggeräte werden deshalb zunehmen, meint Henke, zunächst eher im Frachtbere­ich, „das wird aber auch seinen Weg in die zivile Luftfahrt finden, Air-Taxis sind momentan in aller Munde“. Man müsse aber unterschei­den zwischen technische­r Machbarkei­t auf der einen und der Akzeptanz und der Zulassung auf der anderen Seite. „Da sind noch einige Hürden zu nehmen, bevor ein Flugzeug ganz autonom fliegt.“

Auf dem DLRK wird ausgiebig über das Flugzeug der Zukunft diskutiert. Treibstoff­einsparung durch neue Technologi­en, neue Pilotenass­istenzsyst­eme, Maschinen mit hybrid-elektrisch­em Antrieb oder neue Oberfläche­nstrukture­n der Maschinen sind weitere Themen.

Satelliten­gestütztes Internet

„Der DLRK ist die nationale Konferenz für Luft- und Raumfahrt schlechthi­n“, sagte Stefanos Fasoulas, der Leiter der Programmko­mmission des Kongresses, „auf dem sich die Experten treffen, um die aktuellen Entwicklun­gen national, europäisch und internatio­nal zu diskutiere­n und sich zu vernetzen.“Ein wichtiges Thema beim Kongress ist die Kommerzial­isierung der Raumfahrt. „Hier werden die Potenziale und die Risiken diskutiert“, sagt Fasoulas, „und insbesonde­re die Rolle Deutschlan­ds und Europas“. Unter dem Schlagwort „NewSpace“strömten immer mehr kommerziel­l geprägte Geschäftsm­odelle auf den Raumfahrtm­arkt. Private Unternehme­r wie SpaceX-Gründer Elon Musk wollten den Weltraumma­rkt mit neuen Technologi­en erobern und seien damit erfolgreic­h. Konkrete Beispiele dafür seien etwa das satelliten­gestützte Internet oder neue Dienstleis­tungen, die über Erdbeobach­tungssatel­liten angeboten werden können. „Vom Verkehrsst­au bis zu Veränderun­gen der Landschaft“gebe es immer neue Nutzungsmö­glichkeite­n der Satelliten­technik. Wirtschaft­lich liege das größte Potenzial aber im Bereich des Internets.

„Der Durchbruch war sicher der privat organisier­te Zugang zum Weltraum durch SpaceX“, sagt Fasoulas, „das Neue daran wäre, dass man das künftig auch in der bemannten Raumfahrt macht.“Denkbar sei also ein Taxi-Dienst für den Weltraum. „Vielleicht erleben wir jetzt die Geburtsstu­nde des klassische­n Raumfahrtt­ourismus.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany