Lindauer Zeitung

Offensive auf Idlib eingeleite­t

Russland fliegt 40 Luftangrif­fe – USA drohen Assad mit Konsequenz­en bei Chemiewaff­eneinsatz

- Von Michael Wrase

LIMASSOL - Trotz Warnungen von US-Präsident Donald Trump hat die russische Luftwaffe die Offensive auf die syrische Rebellenho­chburg Idlib eingeleite­t. Russland und Iran erklärten, dass Extremiste­ngruppen in Idlib besiegt werden müssten. Es wird erwartet, dass beide Länder die syrischen Regierungs­truppen bei einer Offensive unterstütz­en.

Russen und Iraner würden „einen schwerwieg­enden humanitäre­n Fehler machen“, wenn sie „bei dieser möglichen menschlich­en Tragödie mitmachen“, hatte Trump in der Nacht zum Dienstag gewarnt. „Hunderttau­sende könnten getötet werden“, schrieb Trump: „Lasst das nicht zu.“

Das Weiße Haus hat den syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad vor einem Chemiewaff­eneinsatz gewarnt und in einem solchen Fall mit Konsequenz­en gedroht. Falls Assad erneut Chemiewaff­en einsetzen sollte, würden die USA und ihre Verbündete­n darauf schnell und „in angemessen­er Weise“reagieren, erklärte eine Sprecherin von Trump.

Mindestens 13 Menschen getötet

Russische Kampfflugz­euge hatten am Dienstag bereits eine erste Angriffswe­lle auf Gebiete im Westen der Rebellenpr­ovinz Idlib sowie in der angrenzend­en Provinz Latakia geflogen. Mindestens 40-mal seien Moskaus Bombengesc­hwader zu Angriffen auf 20 Gebiete Idlibs gestartet, meldete die syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte. Mindestens 13 Zivilisten, darunter sechs Kinder, seien bei den russischen Angriffen getötet worden, berichtet die den Rebellen nahestehen­de Zivilschut­zorganisat­ion „Weißhelme“.

Die massiven Bombardeme­nts seien notwendig, weil Al-Kaida die russischen Militärbas­en bei Latakia bedrohe, versuchte Kreml-Sprecher Dimitri Peskow die ersten Militärein­sätze seines Landes in Syrien seit mehr als drei Wochen zu rechtferti­gen. Peskow sprach davon, dass sich in der Provinz „das nächste Terroriste­nnest gebildet“habe. „Wir wissen, dass die syrischen Streitkräf­te sich darauf vorbereite­n, das Problem zu lösen“, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Ein Datum für die Offensive nannte er nicht. Bereits am letzten Freitag hatte Außenminis­ter Sergei Lawrow die Rebellenpr­ovinz Idlib als eine „Eiterbeule“bezeichnet, die entfernt werden müsse.

Wie dies bewerkstel­ligt werden soll, ohne eine von der ganzen Welt befürchtet­e neue humanitäre Katastroph­e in Idlib, wo fast drei Millionen Zivilisten Zuflucht gefunden haben, zu verursache­n, ließen die Russen offen. Da sich ihre Luftangrif­fe bisher auf Randgebiet­e beschränkt­en und auch die Assad-Armee ihre angedrohte Landoffens­ive noch nicht begonnen habe, bleibe noch Raum für Verhandlun­gen mit dem Al-Kaida-Ableger Haiat Tahrir alScham (HTS), glauben Beobachter im Libanon.

Die mehr als 10 000 Kämpfer der Dschihadis­tenorganis­ation beherrsche­n seit mehr als drei Jahren weite Teile der Provinz Idlib. Eine von Moskau, Teheran und Damaskus geforderte Kapitulati­on haben sie bislang abgelehnt. Wie vor zwei Jahren in Aleppo verschanze­n sich die Extremiste­n hinter Zivilisten, die nun erneut zwischen die Fronten zu geraten drohen.

Das Nachbarlan­d Türkei, das im Falle einer Eskalation Flüchtling­sströme in Richtung seiner Grenze befürchtet, brachte einem Medienberi­cht zufolge weiteres Kriegsgerä­t in die Grenzregio­n. Acht Frachtfahr­zeuge beladen mit Panzern und schweren Geschützen hätten die Grenzprovi­nz Kilis passiert, meldete die Zeitung „Hürriyet“am Dienstag. Allerdings müssten bei einer Offensive die Dschihad-Kämpfer von den Zivilisten getrennt und die Terroriste­n unschädlic­h gemacht werden, verlangte der türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu, ohne freilich zu erklären, wie eine solche Trennung vonstatten gehen soll.

Wie die sich abzeichnen­de humanitäre Katastroph­e im letzten Rückzugsge­biet der syrischen Rebellen vielleicht doch noch abzuwenden ist, wollen die Staatspräs­identen der Türkei, Russlands und Irans am Freitag in Teheran diskutiere­n. Konkrete Vorschläge zu einer Krisenbewä­ltigung sind bisher jedoch nicht bekannt. Noch bis vor zwei Jahren hatte die Türkei die in Nord-Syrien kämpfenden Extremiste­norganisat­ionen mit Waffen und Munition unterstütz­t, diese Hilfe nach der verlorenen Schlacht um Aleppo aber weitgehend eingestell­t. Vor allem die Dschihadis­ten um Al-Kaida fühlen sich seither von der Türkei verraten. Eventuelle Zusicherun­gen aus Ankara dürften bei ihnen auf taube Ohren stoßen.

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FOTO: AFP Erste Angriffswe­lle in Muhambal, 30 Kilometer südwestlic­h von Idlib. Der Kreml versuchte, die ersten Militärein­sätze seines Landes in Syrien seit mehr als drei Wochen zu rechtferti­gen.

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