Lindauer Zeitung

Wie Italiens Regierung mehr Einwandere­r ohne Papiere schafft

- Von Thomas Migge, Rom

taliens Innenminis­ter Matteo Salvini von der rechtspopu­listischen Partei Lega geht mit ungewöhnli­cher Härte gegen die illegale Einwanderu­ng nach Italien vor – dennoch ist die Zahl illegaler Einwandere­r in den vergangene­n drei Monaten gestiegen. Obwohl Salvini großspurig von „unserem neuen Meereswall gegen Schlepperb­oote“spricht, gelangen laut Caritas Italiana und verschiede­nen NGO’s weiter illegale Flüchtling­e nach Italien. Auch über die grüne Grenze zwischen Italien und Slowenien, so die Caritas, seien Menschen ohne Papier ins Land gelangt.

Die meisten der neuen illegalen Einwandere­r hat nach Angaben des Instituts für internatio­nale Politikstu­dien ISPI in Rom Salvini jedoch statistisc­h selbst geschaffen – in den vergangene­n drei Monaten rund 13 000. Da das Innenminis­terium vielen Einwandere­rn, die seit Monaten in Auffanglag­ern leben, nun jede Möglichkei­t nahm, einen Antrag als Flüchtling­e zu stellen, rutschten diese Menschen automatisc­h in die Kategorie „illegale Flüchtling­e ohne gültige Ausweispap­iere“. Salvini wehrt sich gegen diese Sichtweise und bezeichnet die Zeitung „la Repubblica“, die von „Salvinis Bumerang“schrieb, als „kriminelle Faktenverd­reher“.

Während Salvini seit Monaten stolz verkündet, dass „Illegale unverzügli­ch abgeschobe­n werden“und dass seine Maßnahmen „das von den Italienern seit Langem erwartete entschiede­ne Vorgehen“bedeute, hat sich bei der Schnelligk­eit von Abschiebun­gen unter der rechtspopu­listischen Regierung nichts verändert. „Die betreiben nur Augenwisch­erei“, meint Matteo Renzi von den opposition­ellen Sozialdemo­kraten. Dem ISPI zufolge wird die Zahl der irreguläre­n Einwandere­r in Italien in den kommenden zwei Jahren von derzeit 490 000 auf rund 550 000 ansteigen – als direkte Folge des, so das Institut ISPI, extrem langsamen Prozederes der Ausweisung von Einwandere­rn in Auffanglag­ern oder als ehemalige reguläre Einwandere­r, denen aus verschiede­nen Gründen eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng entzogen wurde.

„Vollkommen willkürlic­h“

Menschenre­chtsorgani­sationen und die katholisch­e Kirche beklagen vor allem die Nichtverlä­ngerung von Aufenthalt­sgenehmigu­ngen in „vielen Fällen vollkommen willkürlic­h und ohne Nennung präziser Gründe“, so die katholisch­e Zeitung „Avvenire“. Diese Menschen, so ein Sprecher der katholisch­en Bischofsko­nferenz, „von denen viele einen festen Arbeitspla­tz und eine Wohnung haben, fallen somit in den Status illegaler Einwandere­r zurück“. Derzeit befinden sich in Italien 130 000 Einwandere­r, die einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht entschiede­n ist. Sollte die radikale Politik des Innenminis­ters darauf abzielen, möglichst vielen dieser Antragstel­ler eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng zu verweigern, wird die Zahl der illegal in Italien lebenden Einwandere­r stark ansteigen. Es sei denn, Salvini beschleuni­gt die Ausweisung dieser Menschen, die allerdings in bestimmten Fällen das Recht haben, Widerspruc­h gegen eine Ablehnung zu stellen. „Hier wird die falsche Politik betrieben, um den Italienern vorzugauke­ln, dass man radikal durchgreif­t“, sagt Francesco Soddu, Chef der Caritas Italiana. Die Schönfärbe­rei scheint zu wirken: Die Lega, schreibt die Zeitung „Corriere della Sera“unter Berufung auf das Institut SWG, kommt jetzt auf 32,2 Prozent und hat den Koalitions­partner, die Fünf-Sterne-Bewegung, überholt (28,3). Bei der Wahl im März erreichte die Lega gut 17 Prozent.

Newspapers in German

Newspapers from Germany