Nach Mistgabelangriff bleibt Unruhestifter in Psychiatrie
Gericht ordnet Unterbringung an, weil Angeklagter ohne Behandlung eine Gefahr für die Allgemeinheit wäre
FRIEDRICHSHAFEN (li) - In seinem Dorf, einem Teilort Friedrichshafens, wird er seit Jahren gefürchtet. Weil er praktisch jeden Menschen, der sich seinem Hof nähert, als Feind betrachtet, den er beschimpft, bedroht oder körperlich angreift. Seit mehr als 30 Jahren leidet der 64-jährige Mann an paranoider Schizophrenie. Auf seinen Hof darf er vorerst nicht zurückkehren. Laut richterlicher Anordnung muss er im Zentrum für Psychiatrie in Weißenau (ZfP) bleiben – oder in einer anderen Klinik für forensische Psychiatrie untergebracht werden.
Es ist ein bizarrer, tragischer Fall, über den Richter und Schöffen unter dem Vorsitz von Richterin Birgit Eißler am Mittwoch am Landgericht Ravensburg zu entscheiden hatten. Angeklagt war der 64-Jährige unter anderem, weil er einen Spaziergänger mit einer Mistgabel attackiert hatte. Verletzt wurde der Angegriffene nicht, weil er sich ein Stück Holz schützend vor den Kopf hielt, in dem die Mistgabel zweimal stecken blieb, bevor der Angeklagte sich zurückzog. Die zentrale Frage in der Verhandlung war letztlich von Anfang an weder die nach Schuld noch die nach angemessenem Strafmaß, sondern vielmehr jene, wie es mit dem Angeklagten weitergehen soll.
Seit Jahrzehnten gilt er in seinem Heimatdorf als Unruhestifter, um dessen Hof man am besten einen großen Bogen macht. Zwischenfälle mit Beleidigungen, Bedrohungen, Aggressionen gab’s zuhauf in dem kleinen Ort. Als Höhepunkt lieferte sich der Mann vor 18 Jahren eine filmreife Verfolgungsjagd mit neun Polizeifahrzeugen und einem Hubschrauber, die erst durch Pistolenschüsse in die Reifen ein Ende fand.
Stammgast in Weißenau
Schuldfähig im strafrechtlichen Sinne ist der Mann nicht, weil er seit mehr als 30 Jahren an paranoider Schizophrenie leidet und seit 1987 quasi Stammgast im ZfP in Weißenau ist. Freiwillig war er nie dort – weil er selbst sich nicht für krank hält und eine medikamentöse Behandlung strikt ablehnt. „Es ist nicht möglich, seine Erkrankung mit ihm zu diskutieren. Alle Menschen um ihn herum betrachtet er als Feinde“, konstatierte Sachverständiger Tobias Hölz vom ZfP. Auch in Zukunft werde eine Behandlung nur unter Zwang möglich sein. Um zu verhindern, dass er sich wieder in Wahnvorstellungen verheddere, die zu weiteren Zwischenfällen führen, werde er lebenslang Medikamente nehmen müssen. Heilbar sei der Mann nicht, unter Medikation aber zumindest umgänglicher beziehungsweise „geschmeidiger“, wie es zuvor die gesetzliche Betreuerin des Angeklagten formuliert hatte.
Richter und Schöffen ordneten in ihrem Urteil letztlich die Unterbringung in einer Klinik für forensiche Psychiatrie an, weil sie in dem Angeklagten – sofern er sich nicht behandeln lässt – eine Gefahr für die Allgemeinheit sehen. „Jeder, der sich Ihrem Hof nähert, läuft Gefahr, nicht nur verbal angegriffen zu werden“, stellte Richterin Birgit Eißler fest. Es sei reiner Zufall, dass bislang niemand gravierende Verletzungen erlitten habe. Darüber, ob der 64-Jährige irgendwann auf seinen Hof zurückkehren darf und wie er dort gegebenenfalls versorgt werden könnte, wird jährlich neu entschieden.