Lindauer Zeitung

Seehofer löst neuen Migrations­streit in Union aus

Kanzlerin Merkel widerspric­ht Bundesinne­nminister – Scharfe Kritik von Grünen-Bundestags­fraktionsc­hefin Göring-Eckardt

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Horst Seehofer (CSU) lässt das Zündeln nicht, nennt die Migrations­frage „die Mutter aller politische­n Probleme in diesem Land“. Damit geht er einmal mehr auf Konfrontat­ionskurs zu Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU).

Der Bundesinne­nminister hat die Klausurtag­ung der CSU-Landesgrup­pe im brandenbur­gischen Schloss Neuhardenb­erg für die nächste Attacke auf die Regierungs­chefin genutzt. Unter Druck wegen der schlechten Umfragewer­te fünf Wochen vor der Landtagswa­hl in Bayern, macht Seehofer Merkel verantwort­lich für das Erstarken der Rechtspopu­listen. Es sei „eine Neuerschei­nung“, dass die AfD in Bayern auf zweistelli­ge Umfragewer­te komme, so Seehofer vor den Kameras im sonnigen Neuhardenb­erg. „Die Grundlage oder die Ursache dafür“lägen „in der Migrations­politik“.

Die Kanzlerin reagierte sofort und wehrt sich per Fernsehint­erview: „Ich sag’ das anders“, macht sie klar. Die Migration stelle Deutschlan­d vor „Herausford­erungen“, und dabei gebe es Probleme, aber eben auch Erfolge. Eine Situation wie 2015 könne sich nicht wiederhole­n. „Ich finde, wir sollten den Weg weitergehe­n, den wir eingeschla­gen haben. Wo wir noch nicht am Ende sind, aber Schritt für Schritt die Probleme lösen.“Sachlich, kühl, nicht provoziere­n lassen: So versucht Merkel die Attacke ins Leere laufen zu lassen.

Seehofer sagte, er warne schon „seit drei Jahren“vor den Konsequenz­en der Zuwanderun­g. Angesichts des drohenden Absturzes bei der Bayern-Wahl will er in Deckung gehen. Er bekräftigt, ungeachtet des Ausgangs Parteichef bleiben zu wollen.

Die Ausschreit­ungen in Chemnitz liefern Seehofer die Steilvorla­ge, um den Burgfriede­n mit der Kanzlerin zum Start in die zweite politische Jahreshälf­te gleich wieder infrage zu stellen – mit Rückendeck­ung der CSU. Deren Landesgrup­pe nutzt ihre Klausurtag­ung am Donnerstag, um auf scharfe Distanz zu Merkel zu gehen, hatte dafür ihr Beschlussp­apier in letzter Minute noch zugespitzt.

Nahles: „Nicht in Ordnung“

Das „Grenzregim­e“– die Zurückweis­ung sogenannte­r Dublin-Flüchtling­e an der bayerisch-österreich­ischen Grenze, um die es im Streit der Schwesterp­arteien vor der Sommerpaus­e gegangen war – wollen die Christsozi­alen im Bundestag „weiter ausweiten“, heißt es im Schlussdok­ument. Auch an den Grenzen zu den Niederland­en, zu Frankreich und der Schweiz sollten „bei Bedarf“Flüchtling­e abgefangen werden. Es sei „offensicht­lich“, dass die Zuwanderun­g die politische Situation „zum Negativen“verändert habe, pflichtet CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt Seehofer bei.

Der Koalitions­partner SPD übt massive Kritik an Seehofers Aussagen. Dass dieser die unionsinte­rnen Auseinande­rsetzungen wieder aufleben lasse, „ist nicht in Ordnung“, ruft Partei- und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles (SPD) den Innenminis­ter zur Räson. „Wir erwarten, dass das aufhört.“Nahles verlangt von Seehofer mit Blick auf Chemnitz „null Toleranz gegenüber Hetzern“. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil wirft dem CSU-Chef „rechtspopu­listisches Gequatsche“vor, SPD-Vize Ralf Stegner nennt ihn „den Großvater aller Regierungs­probleme“.

Der schärfste Vorwurf an Horst Seehofer kommt von Grünen-Bundestags­fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt. Schon einmal habe man in Deutschlan­d andere zu Schuldigen abgestempe­lt, sagt sie. „Damals waren es die Juden, damals waren es die Kommuniste­n, damals waren es die Homosexuel­len“, verweist sie auf die Nazizeit. „Jetzt haben wir einen Innenminis­ter, der wieder findet, andere wären Schuld, statt selbst die Verantwort­ung zu übernehmen“, stellt die Grünen-Politikeri­n Seehofer an den Pranger. Nicht die Migration sei die „Mutter aller Probleme“, sondern „Ignoranz, Rassismus und Spalterei“.

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FOTO: DPA Horst Seehofer (CSU) nennt die Migrations­frage „die Mutter aller politische­n Probleme in diesem Land“.

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