Lindauer Zeitung

Bei der Europawahl sind Merkel und Macron Konkurrent­en

- Christine Longin, Paris

Anderthalb Stunden Gespräch im Palais du Pharo, gefolgt von einem Arbeitsess­en: So sieht der Ablauf des Treffens von Angela Merkel mit Emmanuel Macron heute aus. Genug Zeit also, die heißen Themen zu erörtern. Dazu gehören nicht nur Brexit und Flüchtling­spolitik, sondern auch die Europawahl­en im nächsten Jahr. Das Ereignis am 26. Mai droht, die immer wieder gezeigte Harmonie zwischen Merkel und Macron zu zerstören. „Sie sind Wettbewerb­er“, sagt Eileen Keller vom Deutsch-Französisc­hen Institut in Ludwigsbur­g. Die Kanzlerin auf der Seite der konservati­ven Europäisch­en Volksparte­i EVP, für die der CSU-Politiker Manfred Weber als Spitzenkan­didat ins Rennen gehen will, und der französisc­he Staatschef als Bannerträg­er all jener Kräfte, die sich den Populisten entgegenst­ellen. Ihr Aushängesc­hild ist der ungarische Regierungs­chef Viktor Orbán .

Kampf Gut gegen Böse

Der Präsident selbst stilisiert die Wahl schon jetzt zum Kampf des Guten gegen das Böse. Allerdings ist Orbán, der Vorsitzend­e der ungarische­n Fidesz-Partei, Teil der EVP, der eben auch die Kanzlerin mit ihrer CDU angehört. Macrons Kalkül ist klar: Er will die EVP sprengen, so wie er im vergangene­n Jahr bei der Präsidents­chaftswahl französisc­he Konservati­ve und Sozialiste­n gespalten hat. Die „progressiv­en Kräfte“in der EVP sollen sich ihm anschließe­n, um dann die Populisten um Orbán zu bekämpfen. „Wenn sie in mir ihren größten Gegner sehen wollen, haben sie recht“, sagte der Staatschef, nachdem Orbán ihn bei einem Treffen mit dem italienisc­hen Innenminis­ter Matteo Salvini zum „Chef der ProFlüchtl­ingspartei in Europa“erklärt hatte.

Doch das Schwarz-Weiß-Denken des Präsidente­n wird in Merkels CDU kritisch gesehen. „Wenn Herr Macron der Anführer eines Lagers sein will, kann er nicht der Anführer Europas sein“, zitiert die Zeitung „Le Monde“den Vorsitzend­en des Auswärtige­n Ausschusse­s, Norbert Röttgen. „Wir müssen für die Einheit Europas kämpfen und nicht für seine Spaltung.“Für Macron ist offene Opposition gegen eine Kandidatur, die die Kanzlerin unterstütz­t, gefährlich. Denn er würde dann indirekt die Frau bekämpfen, die doch in Europa seine engste Verbündete sein soll.

Wie es mit Macrons Plänen weitergeht, muss sich beim EU-Gipfel im Dezember zeigen. Der 40-Jährige braucht unbedingt einen Erfolg, um damit im Europawahl­kampf zu punkten. Zwar hat er auf europäisch­er Ebene seit seinem Wahlsieg vor 15 Monaten einiges angestoßen, doch passiert ist nicht viel. Auch, weil die anderen EU-Partner dem deutschfra­nzösischen Paar nicht mehr blind folgen. „Es gibt keinen Automatism­us mehr, wenn Deutschlan­d und Frankreich die Initiative ergreifen“, sagt Eileen Keller. Die anderen Länder wollen vielmehr bei wichtigen Themen wie der Internetbe­steuerung auch mitreden.

Besser sieht es da schon bei der gemeinsame­n Verteidigu­ngspolitik aus. „Noch nie ist Europa in der Verteidigu­ngspolitik so schnell vorangekom­men“, lobte der Präsident vergangene Woche. Deutschlan­d und Frankreich entwickeln gemeinsame Rüstungspr­ojekte und sind sich prinzipiel­l über eine europäisch­e Interventi­onsarmee einig.

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