„Wir werden nicht aufgeben“
Der Lindauer Adnan Wahhoud hat in Idlib Ambulanzen aufgebaut – Die Sorge vor einem Militärangriff steigt
LINDAU - Sieben medizinische Ambulanzen hat der Lindauer Adnan Wahhoud im Nordwesten von Syrien aufgebaut. Fünf davon werden über Spenden aus Lindau und Umgebung finanziert. Dass jetzt Politiker und Nahostexperten einen Militärschlag von russischen und AssadTruppen gegen die Provinz Idlib befürchten, sorgt sowohl bei Wahhoud wie auch in seinen Medical Points für Unruhe. LZ-Redakteurin Evi Eck-Gedler hat mit dem Deutsch-Syrer gesprochen.
Herr Wahhoud, Sie sind zuletzt Anfang August in den Nordwesten Syriens gefahren und haben dort die sieben von Ihnen aufgebauten Ambulanzen aufgesucht. Schon damals haben Sie nach Ihrer Rückkehr berichtet, dass die Menschen dort Angst haben vor neuen Angriffen. Was empfinden Sie, wenn Sie jetzt hören, dass es womöglich bald einen militärischen Angriff auf die Provinz Idlib gibt?
Das wäre eine große Katastrophe. Viele Menschen sind vor den Konflikten und Kämpfen im Süden des Landes nach Nordsyrien geflüchtet. Und das sind zu über 90 Prozent ganz normale Menschen, Zivilisten. Natürlich gibt es darunter sicherlich auch Extremisten. Aber die große Mehrheit sucht einfach nur Frieden. Die müssen dann wieder leiden. Und die haben keinen Ausweg mehr, wenn das Militär in die Provinz Idlib vorrückt. Denn die syrische Grenze zur Türkei ist dicht. Da gibt es kein Durchkommen für Flüchtlinge aus Syrien.
Welche Konsequenzen werden Sie ziehen? Ist es beispielsweise denkbar, dass Sie die Medical Points in Fattire, Yakobiya oder Tuum schließen, um Personal und Patienten zu schützen, wie Sie es ja bereits schon einmal mit der westlich von Aleppo gelegenen Ambulanz Khan Assal gemacht haben?
Es stimmt, ich habe im Herbst 2016, als Aleppo stark umkämpft war, den Medical Point in Khan Assal geschlossen. Erst nach einem Jahr haben wir diesen wiedereröffnet. Grundsätzlich wollen wir die Arbeit in den Ambulanzen fortsetzen, solange es die Sicherheitslage erlaubt. Doch ich habe in den Medical Points auch hinterlassen: Wenn Gefahr besteht für Personal und Patienten, dann schließt bitte und verlasst das Gebäude.
Was würde das für die Menschen rund um die Stadt Idlib, für Einheimische und die aus dem Süden des Landes dorthin geflüchteten Syrer bedeuten?
Diese Menschen brauchen dringend medizinische Hilfe, sie sind auf uns und die Ärzte in den Medical Points angewiesen. Deswegen hoffe ich dringend, dass sich ein Gleichgewicht findet, dass dieser drohende militärische Angriff noch verhindert werden kann. Mir ist bewusst, dass Syrien vor einer sehr unsicheren Situation steht. Und dann kommt hinzu, dass dort bald der Winter beginnt mit oft viel Regen. Viele Flüchtlinge, die jetzt in der Provinz Idlib sind, leben oft nur in Zelten oder zerbombten Ruinen.
Werden Sie Ihre nächste Reise nach Syrien wegen der drohenden erneuten Kämpfe verschieben?
Meine nächste Reise zu den Medical Points und den von meiner Waisenhilfe betreuten Kindern wird in gut zwei Wochen beginnen. Ich habe die Abreise für den 25. September geplant und werde wieder über die Türkei an der syrischen Grenze bei Antakiya in die Provinz Idlib einreisen. Meine syrischen Freunde holen mich dort ab. Und ich hoffe sehr, dass diese Reise stattfinden wird. Wir werden nicht aufgeben.