Die Weinlese hat begonnen
Winzer sprechen von einem „Jahrhundertjahrgang“- Das Weinjahr hätte nicht besser verlaufen können
NONNENHORN / WASSERBURG - So eine Weinlese gab es bisher selten: Extrem früh – im Schnitt drei Wochen früher als in den vorherigen Jahren – haben die Bodenseewinzer mit der Lese begonnen. Die konstante Wärme seit Mai sorgt für einen ausgezeichneten Jahrgang. Er ist früh reif, süß und hat nicht zu viel Säure. Kurios dabei: Die Winzer ernten die späten Sorten teilweise schon vor den frühen.
Familie Gierer – ausgerüstet mit Schneidescheren und Eimern – geht dem Grauburgunder an den Kragen. In den Rebenreihen von Martin Gierer in Nonnenhorn ernten sie am Donnerstagmorgen zügig die ersten Reben dieses Jahres. Für Martin Gierer ist es gleichzeitig die erste Weinlese überhaupt. Erst im Frühjahr vergangenen Jahres hat der Obstbauer den Wein gepflanzt.
Und seine Weinpremiere fällt gleich in ein Jahr, das sich kein Winzer hätte besser wünschen können: Mit einer kurzen intensiven Blüte im Frühjahr begann es und ging weiter mit einer konstant anhaltenden Wärme, die das Wachstum vorantrieb. Regen kam für die Winzer am See ausreichend und zur richtigen Zeit. Im Gegensatz zu anderen Regionen am See sind die Böden im bayerischen Bereich so lehmig, dass sie Regenwasser gut speichern.
„Das ist mein erster Ertrag und ich bin sehr, sehr zufrieden“, sagt Gierer. „Dass die Reben so gesund sind, ist absolute Ausnahme“, sagt er. Deshalb gehe auch die Ernte so schnell, weil die Arbeiter kaum etwas aus den Reben herausschneiden müssten. Er hält eine der grauroten Reben hoch und demonstriert die Makellosigkeit. „Eine faule oder verpilzte Beere muss man geradezu suchen.“
Späte Sorten kamen mit Hitze besser zurecht
Dass die Gierers mit dem spät reifenden Grauburgunder beginnen, sei eigentlich total kurios, sagt Josef Gierer, Sprecher der Winzer am bayerischen Bodensee und ein Cousin von Martin Gierer.
Die spätreifen Rebsorten wie der Grauburgunder seien mit der Hitze und der Trockenheit viel besser zurechtgekommen als frühere Sorten, wie Bachus und Müller-Thurgau. Letztere hätten „zwischendrin eine Pause im Wachstum eingelegt.“Diese Entwicklung sei völlig außergewöhnlich, sagt Gierer.
Schon jetzt seien die BurgunderReben hochreif und die Winzer müssen sie ernten. Auch die anderen Rebsorten müssten im Anschluss zwar zügig abgeerntet werden, „aber ohne Hektik“. Denn starker Regen, der die Reben zum Platzen bringen könnte, sei auch für die kommenden Wochen nicht angekündigt.
„Bisher ist das ein perfekter Jahrgang“, fasst Josef Gierer zusammen. Nach der Lese geht der Grauburgunder sofort in die Weiterverarbeitung. Die Stiele werden von den Beeren getrennt, die Beeren werden angedrückt und dann gepresst. Der Most werde anschließend mit Zucker und Schwefel angereichert und in Fässer verpackt. Schon am Wochenende beginnt der erste Wein dieses Jahrgangs zu gären.
Etwas weiter nördlich, bei Hattnau, ist Sebastian Schmidt bereits dabei zerdrückte Müller-ThurgauTrauben in die Presse zu füllen. Mithilfe eines Gabelstaplers schüttet er das Gemisch hinein. Zwar ernte er seine Frühsorte Müller-Thurgau, wie üblich, vor den späteren Burgundersorten, aber auch bei ihm seien die späten Sorten eigentlich schon bereit zur Lese. „Die Reife der Sorten liegt in diesem Jahr sehr nah beieinander.“Die Arbeiter auf den Feldern müssten jetzt dranbleiben. In diesem Jahr gebe es keine großen Pausen bei der Lese.
Trotz der vielen Arbeit, ist Schmidt, wie auch Markus und Josef Gierer, überaus zufrieden mit dem Weinjahr: „Das ist der schönste Jahrgang, den ich je gehabt habe“, sagt er. „Jede Traube ist gesund. Zucker- und Säurewerte sind genau in der richtigen Balance.“Vom Austrieb über den Sommer bis jetzt zum Herbst sei es ein Weinjahr gewesen, wie man es sich wünscht. Gleichzeitig hätten Hitze und Trockenheit den Wein vor Pilzbefall oder der Kirschessigfliege bewahrt. Sebastian Schmidt geht deshalb noch weiter als Josef Gierer. „Für uns ist das ein Jahrhundertjahrgang“, sagt Schmidt. „Ich sehe ja die Qualität auf dem Feld“, sagt er, „und das landet am Ende auch im Keller.“Als Winzer sei er euphorisch, sagt er. „Endlich können wir mal zeigen, was der Bodensee als relativ junges Weinbaugebiet kann.“Die Winzer würden immer mehr an Erfahrung gewinnen und die Weine immer besser. „So ein Jahr zeigt einem, dass man das Richtige macht“, sagt Schmidt.
„Das ist der schönste Jahrgang, den ich je gehabt habe.“
Winzer Sebastian Schmidt