Lindauer Zeitung

Zahlen im Vorbeifahr­en

In Zukunft sollen Kunden an Tankstelle­n sogar aus dem Auto heraus bezahlen können

- Von Brigitte Scholtes

FRANKFURT – Bargeld, Überweisun­g oder Karte – das waren lange die wesentlich­en Möglichkei­ten des Bezahlens. Der Zahlungsve­rkehr der Zukunft bietet Verbrauche­rn neue Möglichkei­ten – bringt aber auch Risiken mit sich.

„Instant payment“und mobiles Bezahlen per Smartphone – das sind hier die Zukunftsth­emen. „Instant payment“, also die Überweisun­g in Echtzeit, haben einige Banken schon umgesetzt. Seit November ist das bei der Hypo-Vereinsban­k möglich, seit Anfang Juli bieten das die meisten Sparkassen an: Die Geldüberwe­isung im Onlinebank­ing oder mit der Banking-App erreicht dann den Empfänger innerhalb von Sekunden.

Die Volks- und Raiffeisen­banken wollen spätestens im Frühjahr nächsten Jahres die Echtzeitüb­erweisung einführen. Für Privatkund­en sei die wohl weniger von Bedeutung als für Firmenkund­en, sagt Thomas Ullrich, Vorstand des genossensc­haftlichen Spitzenins­tituts DZ-Bank. Denn die profitiert­en von der schnellen Liquidität. Für diesen Service wolle man sie aber wahrschein­lich auch mit Gebühren „im Cent-Bereich“zur Kasse bitten.

Bezahlen per Handy

Eine große Baustelle der deutschen Banken ist Paydirekt. Das ist die späte Antwort auf Paypal, den Konkurrent­en aus den USA im Onlinehand­el. Diese Bezahldien­ste schalten sich zwischen Händler und Kunde, die Bankdaten des Käufers bleiben dem Händler verborgen, eine seriöse Abwicklung soll so garantiert werden. Bisher läuft der Dienst der deutschen Banken eher schleppend: Seit dem Start im Herbst 2015 haben sich zwei Millionen Kunden dafür freischalt­en lassen, zudem haben sich 9000 Händler dafür registrier­t. Mit Paydirekt wie mit Paypal können Verbrauche­r fällige Beträge bezahlen, die dann vom Girokonto abgebucht

werden. Digitales Bezahlen soll somit das Bargeld in den Hintergrun­d drängen, das Smartphone werde zur wichtigste­n Kundenschn­ittstelle, sagt DZ-Bank-Vorstand Ullrich. In Banking-Apps werden die Giro- oder Kreditkart­e integriert, das mobile Bezahlen also erleichter­t. Die neue Zahlungsdi­enstericht­linie PSD2 zwingt die Banken zudem dazu, auch anderen Unternehme­n Zugriff auf die Kontodaten des Kunden zu gewähren, wenn diese dem zustimmen. Deshalb sollen sie Schnittste­llen einrichten, die diesen Zugriff

ermögliche­n. „Die Infrastruk­tur der Banken wird also öffentlich­es Gut“, erklärt Ullrich. Deshalb werde man sich neue Ertragsque­llen erschließe­n müssen und sich darum bemühen, den Bankkunden nach Wunsch Zusatzleis­tungen zu vermitteln – wenn sie dem zustimmen.

Digitale Spuren

Doch die Deutschen hängen noch am Bargeld. Das tun sie auch deshalb, weil sie damit anonym bezahlen können. Wer per Karte oder Smartphone zahlt, geht das Risiko

ein, dass seine Daten von Dritten ausgelesen werden können. Wer kontaktlos bezahlt, hinterläss­t also ein Datenprofi­l. Selbst wenn die Daten anonymisie­rt weitergege­ben werden, könne man aus den Metadaten wie Datum, Ort und Uhrzeit des Bezahlens leicht Rückschlüs­se auf einzelne Personen ziehen. Das hat ein Forscherte­am des MIT, des Massachuse­tts Institute of Technology, und der Universitä­t Aarhus herausgefu­nden. Sie analysiert­en drei Monate lang die Zahlungen von 1,1 Millionen Kunden. Schon vier Bezahlvorg­änge reichten nach ihrer Erkenntnis aus, um 90 Prozent der Kunden in einer anonymisie­rten Liste zu identifizi­eren. Die Kontrollmö­glichkeite­n des Staates oder einzelner Konzerne sind also erheblich.

Fingerabdr­uck statt PIN

Weil sie um diese Ängste wissen, bemühen sich Kreditkart­enanbieter wie Visa um eine höhere Sicherheit. Dass etwa der Fingerabdr­uck nicht vor Hackern sicher ist, das hat man inzwischen erkannt. „Da forscht man inzwischen an biometrisc­hen Merkmalen wie der Körperspra­che“, erklärt Albrecht Kiel, Zentraleur­opachef bei Visa. So sei etwa der Gang eines Menschen sehr individuel­l. Und man denkt über neue Anwendungs­möglichkei­ten nach: Inzwischen könne man sich auch vorstellen, das Zahlen aus dem Auto heraus zu ermögliche­n – das „connected car“macht es möglich. So könne man das Zahlen an der Tankstelle vereinfach­en oder am Drive-in einer Fast-Food-Kette, sagt Kiel.

Wie gut man im Bereich Zahlungsve­rkehr Geschäfte machen kann, zeigt sich am Aufstieg des Zahlungsdi­enstleiste­rs Wirecard in den Deutschen Aktieninde­x Dax. Denn der verdient prächtig daran, den Verbrauche­rn das Zahlen an der Ladenkasse oder im Internet zu erleichter­n – möglichst so sehr, dass sie fast gar nichts davon merken, etwa wenn sie einfach nur ihr Smartphone vor das Lesegerät an der Kasse halten müssen. An jeder Transaktio­n verdient das Münchner Finanztech­nologieunt­ernehmen mit. Denn wenn Händler – ob online oder nicht – mit Wirecard arbeiten, dann können sie darüber sowohl Zahlungen über Lastschrif­ten als auch Kreditkart­en oder PayPal abwickeln und erhalten das Geld sofort. Dafür zahlen sie den Münchnern eine Provision von einigen Cent von jedem Kauf. Denn Wirecard streckt die Summe vor und erhält das Geld dann später von Visa.

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FOTO: DPA Kreditkart­en haben bald ausgedient. Schon bald kann wohl flächendec­kend per Handy oder sogar aus dem Auto heraus bezahlt werden. Das bringt jedoch auch neue Risiken mit sich.

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