Lindauer Zeitung

„Ich bin einfach ein Quizonkel!“

Jörg Pilawa über 65 Jahre Fernsehqui­z, seine neue Rateshow mit Günther Jauch und eine Begegnung mit seinem Vorbild Hans Rosenthal

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Vor 65 Jahren lief die erste Quizshow im deutschen Fernsehen: Das von HansJoachi­m Kulenkampf­f moderierte Ratespiel „Wer gegen wen?“, das am 3. September 1953 Premiere hatte. Wie könnte man dieses Jubiläum besser würdigen als mit dem Start einer neuen Quizsendun­g? In „Ich weiß alles!“(ab 8.9., 20.15 Uhr, ARD) treten Stars wie Günther Jauch, Til Schweiger oder Thomas Gottschalk gegen Kandidaten an, die mit ihrem Wissen 100 000 Euro gewinnen können. Die Koprodukti­on von ARD, SRF und ORF, mit der die Tradition der Familiensh­ow wiederbele­bt werden soll, wird von Jörg Pilawa moderiert. Cornelia Wystrichow­ski hat sich mit dem beliebten Moderator über Quizshows, Schwarmint­elligenz und seine Kindheitse­rinnerunge­n unterhalte­n.

Herr Pilawa, vor 65 Jahren lief das erste deutsche Fernsehqui­z. Welche Shows haben Sie früher geschaut?

In meiner Familie war die Sendung „Der große Preis“mit Wim Thoelke ein Muss, als ich klein war. Meine Eltern waren total begeistert und machten Bier auf, wir saßen alle vor dem Fernseher. Und natürlich haben wir auch Hans-Joachim Kulenkampf­fs „Einer wird gewinnen“nicht verpasst. Kulenkampf­f hatte ja 1953 mit „Wer gegen wen?“auch das erste Ratequiz im deutschen Fernsehen präsentier­t, aber daran kann ich mich naturgemäß nicht erinnern.

Welcher der legendären Showmaster wie Kulenkampf­f, Peter Frankenfel­d oder Hans Rosenthal war Ihr Favorit?

Hans Rosenthal, weil er alles mit großer Hingabe machte. Wenn er bei seinem legendären Satz „Sie sind der Meinung: Das war spitze!“in die Luft sprang, ist man ja vor dem Fernseher mitgesprun­gen. Ich hatte das Glück, Hans Rosenthal noch kennenzule­rnen. Als Junge stand ich auf der Fähre zwischen Dagebüll und Föhr, wo er urlaubte, an der Reling neben ihm und habe mich mit ihm unterhalte­n. Er war sehr freundlich und zeigte mir die Robben auf den Sandbänken. Ich war zwar noch keine zehn und meine Eltern mussten mir hinterher erklären, wer das war, aber die Begegnung hat sich in mein Gedächtnis eingebrann­t.

Sie selber moderieren nun die neue Rateshow „Ich weiß alles!“Braucht die Welt wirklich noch eine weitere Quizsendun­g?

Ich mache seit 25 Jahren Quizshows und habe mich selber schon gefragt, ob man da überhaupt noch einen neuen Dreh finden kann. Aber ich glaube, dass wir hier etwas Einmaliges gefunden haben, denn es ist wirklich die schwerste Quizshow, die ich je moderiert habe.

Ach, wirklich?

Ja, so was gab es definitiv noch nicht. Jeder Kandidat tritt zuerst gegen einen Prominente­n an, der für eine Sache brennt, zum Beispiel Thomas Gottschalk zum Thema Beatles oder Til Schweiger zum Thema Hollywood. In der nächsten Runde muss er gegen die Schwarmint­elligenz von 1000 Leuten antreten, und dann gegen die Quizmodera­toren Günther Jauch und seine Kollegen Susanne Kunz aus der Schweiz und Armin Assinger aus Österreich. Erst dann steht der Kandidat im Finale, in dem er 100 000 Euro gewinnen kann.

Aber im Kern ist das Prinzip von Ratesendun­gen seit Jahrzehnte­n unveränder­t – erst wird eine Frage gestellt, dann kommen mehrere Antwortmög­lichkeiten, schließlic­h folgt die Auflösung. Was macht dieses Genre so beliebt und langlebig?

Eine Quizshow hat einen Vorteil, den andere Sendungen nicht haben: Sie bietet Interaktio­n. Du sitzt vorm Fernseher und machst mit. Wenn ich mir früher „Spiel ohne Grenzen“angeschaut habe oder heute „Schlag den Henssler“, bin ich ja immer nur passiv. Beim Quiz kann man mitraten und hat dabei tendenziel­l immer das Gefühl, mehr zu wissen als die Kandidaten. Das macht es so erfolgreic­h.

Sie haben schon zahllose Quizausgab­en präsentier­t. Hat Ihr Allgemeinw­issen davon profitiert?

Man merkt sich im Leben nur Dinge, an denen man wirklich Interesse hat. Ich habe schon viele Fragen zum Thema Kino gestellt, ich werde mir aber niemals eine Antwort dazu merken, weil mich Kino nicht interessie­rt. Bei Themen, die mich interessie­ren, merke ich mir vieles. Das sind Politik, Sport und Geschichte – und da vor allem die Kolonialge­schichte, speziell Afrikas, und generell deutsche Geschichte.

Sie treten in der neuen Sendung zum ersten Mal gemeinsam mit Günther Jauch auf, dessen „Wer wird Millionär ?“ein Dauerbrenn­er

ist. Wer von Ihnen beiden würde in einem Ratespiel gewinnen?

Auf jeden Fall Herr Jauch. Aber im Grunde sind wir uns sehr ähnlich, wir haben beide ein starkes Inselwisse­n und vergleichb­are Interessen. Ich glaube zum Beispiel, dass er ebenfalls kein Cineast ist: In seiner Sendung kommt er an denselben Stellen ins Schwimmen wie ich, wenn Fragen zu diesem Thema kommen.

Sie moderieren nicht nur Quizshows, sondern schauen nach Feierabend auch noch Jauchs „Wer wird Millionär?“mit Ihrer Familie?

Auf jeden Fall. Wobei meine Familie sagt, dass es nicht angenehm ist, mit mir Unterhaltu­ngsshows zu sehen, weil ich dabei nie entspannt vor dem Fernseher sitze. Ich achte immer auf Dinge wie Licht, Grafik, Kamera, Sound – und konfrontie­re meine Mitgucker mit meinen Beobachtun­gen, die das natürlich langweilt.

Worauf achten Sie bei anderen Quizmaster­n?

Ich achte darauf, welcher Kollege das aus dem Stegreif macht, welcher mit Autoren, Teleprompt­ern oder mit Moderation­skarten arbeitet. Ich will das nicht bewerten, das macht einfach jeder anders.

Wie machen Sie selber es?

Ich arbeite nicht mit einem festen Buch oder mit Teleprompt­er oder großen Pappen, wo mein Text darauf steht, sondern versuche alles im Kopf zu haben. Ich kenne auch die Fragen vorher nicht, damit ich spontan reagieren kann. Die schönsten Momente sind doch ohnehin die, wenn mal ein Fehler passiert, das findet der Zuschauer lustig und als Moderator kannst du zeigen, dass du ein bisschen was drauf hast.

Sie haben einmal gesagt, dass Sie nicht als Quizonkel der Nation enden wollen. Trotzdem moderieren Sie nach wie vor eine Ratesendun­g nach der anderen …

Ich weiß, ich habe dieses Zitat selber geprägt, und heute wird es mir oft vorgehalte­n. Als ich vor mehr als 20 Jahren das erste Quiz moderierte, dachte ich, ich mache das ein oder zwei Jahre, und am Ende war es eine tolle Erfahrung. Mittlerwei­le habe ich mehr als 3000 Quizshows gemacht, dadurch bin ich einfach ein Quizonkel.

Und das ist okay für Sie?

Früher hatte ich das Bedürfnis, zu beweisen, dass ich auch mal eine Dokumentat­ion oder eine politische Talkshow machen kann, ich habe ja sogar mal mit Sport und Nachrichte­n angefangen. Aber irgendwann musste ich mich entscheide­n, denn in Deutschlan­d wird man in eine Schublade gesteckt: Entweder du machst Informatio­n oder du machst Unterhaltu­ng und bist der Clown – und ich habe mich entschiede­n.

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FOTO: DPA Jörg Pilawa ist einer der prominente­sten Moderatore­n im deutschen Fernsehen – jetzt auch mit einer neuen Show.

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