Lindauer Zeitung

Schnell und bequem: Mit dem Elterntaxi zur Schule und zum Sport?

- b.adler@schwaebisc­he.de beilagenre­daktion@schwaebisc­he.de

’’ Es ist einfach die Einsicht in die Notwendigk­eit. Von Bernd Adler ’’ Für Kinder ein kleines Stück Freiheit. Von Kerstin Conz

Pro

Es gibt Handlungen, die in den zivilisier­ten Teilen Mitteleuro­pas als moralisch absolut verwerflic­h gelten. Dazu gehört das Entsorgen des Hausmülls im Wald, das Quälen von Nachbars Katze – und den Betrieb eines Elterntaxi­s. Wer sich als Elterntaxi­fahrer outet, der hat auf der Grillparty schnell viel Platz und Ruhe um sich. Aber natürlich erst, nachdem einem ordentlich die Leviten gelesen wurden.

Und das hört sich so an: Elterntaxi­fahrer verwöhnen ihre Kinder unnötig. Halten die Brut in Unselbstst­ändigkeit. Sorgen dafür, dass die Kurzen immer noch fauler, dicker und dümmer werden! Mitunter hagelt es übelste Beleidigun­gen. Die schlimmste: Helikopter­eltern!

Doch wer in der Stadt lebt, der hat leicht reden. Auf dem Land hingegen braucht man entweder Hubschraub­er oder Taxi, um den Nachwuchs von A nach B zu bringen. Schulbusse? Fahren morgens, aber am Nachmittag nie so, dass es zeitlich passt. Fußballver­ein? Handballtr­aining? Musikschul­e? Vergiss den öffentlich­en Nahverkehr, wenn du nicht willst, dass dein Kind nach seiner Veranstalt­ung eineinhalb Stunden warten muss, bis sich jemand erbarmt, es heimzukarr­en. Also greift eben die Notlösung: Elterntaxi. Spaß macht das dem Helikopter­vater übrigens nicht. Aber es ist einfach die Einsicht in die Notwendigk­eit.

Contra

Erinnern sie sich noch an Ihren Schulweg? Ich weiß noch sehr gut, wie ich mit meinen Freundinne­n Rachel, Annette und Saskia morgens bei Wind und Wetter losgezogen bin. Gefährlich fand das niemand, es war ganz normal. 90 Prozent der Grundschül­er gingen in den 70er-Jahren zu Fuß zur Schule. Heute marschiert in manchen Regionen nur noch jedes dritte Kind selbst.

Klar, wenn Mama oder Papa schnell fährt, können alle ein paar Minuten länger liegen bleiben. Zudem spart man sich, den Weg in der ersten Zeit selbst wochenlang mit abzulaufen. Auch an der Grundschul­e unserer Kinder gibt es immer mehr Elterntaxi­s, und das, obwohl die Schulleitu­ng diese Eltern schriftlic­h darauf hinweist, dies doch zu unterlasse­n. Nicht einmal die Polizei konnte die überbesorg­ten Eltern von ihren Wendemanöv­ern auf dem Schulgelän­de abhalten. Selbst der ADAC ruft Eltern auf, ihre Kinder doch zu Fuß gehen zu lassen.

Denn wer glaubt, dass die Generation Rücksitz sicherer lebt, liegt falsch. Wer will, dass sich die Kinder sicher im Verkehr bewegen können, sollte sie zu Fuß gehen lassen – und notfalls begleiten. Die Kindern kommen nicht nur wacher an, sondern genießen es meist, einfach mal alleine mit ihren Freunden unterwegs sein zu können. Schließlic­h werden sie am Nachmittag noch oft genug herumkutsc­hiert.

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