Freuds aufmüpfige Patientin
Katharina Adler erinnert in ihrem Debütroman „Ida“an das bewegte Leben ihrer Urgroßmutter
Das hatte der große Sigmund Freud nicht erwartet, dass ein gerade 18 Jahre altes jüdisches Mädchen seine „Sprechtherapie“selbstständig und gegen seinen ausdrücklichen Willen abbricht, und entsprechend groß war auch seine Verärgerung. Gern hätte er seine Analyse fortgesetzt, in deren Zentrum ein von einem erwachsenen Bekannten erzwungener Kuss der damals 13-Jährigen stand. Aber beeindruckt hat ihn die aufmüpfige Patientin offenbar doch, denn Freuds ausführliche Beschreibung des „Falles Dora“in seinen „Studien über Hysterie“machte Ida Bauer, wie sie mit ihrem Mädchennamen wirklich hieß, zu einer der berühmtesten Patientinnen des Psychoanalytikers. Jetzt, mehr als ein Jahrhundert später, wurde ihr ein literarisches Denkmal gesetzt. Katharina Adler, Urenkelin Ida Bauers, hat deren aufregendes Leben in ihrem (fast zu) voluminösen Debütroman nachgezeichnet.
Es ist die Geschichte einer Frau des Jahrgangs 1882 aus dem Wiener Großbürgertum, die sich – wie nicht nur ihr mutiges Verhalten gegenüber dem Doktor Freud zeigte – schon früh den Konventionen ihrer Zeit widersetzt, nicht zuletzt aus Wut und Enttäuschung über das, was sich oft hinter der sorgsam gepflegten Fassade von Anstand und Etikette auch in ihrer Familie abspielte. Sie heiratet den wenig erfolgreichen Komponisten Ernst Adler, und als dieser und ihr geliebter Bruder Otto Bauer, ein führender Kopf der österreichischen Sozialdemokratie, in den Ersten Weltkrieg ziehen müssen, baut Ida sich konsequent ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben auf.
Sprache erinnert an Döblin
Dieses verlangte ihr freilich auch viel ab, denn es ist ein Leben, das den Untergang der Habsburger Monarchie, die Wirren der 1920er-Jahre, die Schrecken des Nationalsozialismus, Exil in Frankreich und Neuanfang in Amerika umfasst.
Katharina Adler erzählt von ihrer Urgroßmutter in einer expressiven, oft auch reportagenhaften Sprache, die an Alfred Döblin erinnert. Sie hält sich dabei aber nicht an die Chronologie, sondern springt zwischen den Zeiten und Ereignissen hin und her – ein Stilmittel, dessen Sinn nicht so recht nachzuvollziehen ist und das den Lesefluss auch eher hemmt.