Lindauer Zeitung

Näher zusammenrü­cken statt Grenzbalke­n hochziehen

Grüne Landtagsab­geordnete aus Vorarlberg und Bayern auf einer Linie

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LINDAU (hip) - Gut einen Monat vor der Landtagswa­hl in Bayern haben grüne Landespoli­tiker den Schultersc­hluss mit ihren Vorarlberg­er Kollegen geübt. Einig waren sie sich, dem Rechtspopu­lismus etwas entgegenzu­setzen, eigene Themen zu setzen. „Es gibt keinen Zwang, auch nicht für Konservati­ve, dem Geplärre von Rechts nachzulauf­en. Wer das versucht, verliert“, erklärte Johannes Rauch, Landesrat der Grünen im Vorarlberg­er Landtag, vor rund zwei Dutzend Zuhörern im Lindauer Gasthof „Köchlin“. Sein Kollege Christoph Metzler pflichtete ihm bei. Gehe es um Flüchtling­e, werde nur noch über „Illegale“gesprochen. Keiner traue sich mehr, von Humanismus zu reden. Oder davon, dass es Einwanderu­ng brauche. Hier sollte man die Allianz mit der Wirtschaft suchen, meinte Rauch. Grenzbalke­n wieder hochzuzieh­en, wäre der vollkommen falsche Weg. Die aufgeklärt­e Zivilgesel­lschaft müsse die Stimme erheben. Sonst gehe das gemeinsame Europa verloren.

„Wir müssen mit dem Thema Flüchtling­e wieder auf rationale Art und Weise umgehen“, sagte Thomas Gehring, Abgeordnet­er von Bündnis 90/Grüne im bayerische­n Landtag. Er war mit Rauch und Metzler im länderüber­greifenden Naturpark Nagelfluh in Immenstadt, dann in Lindenberg, wo man sich mit dem Nahverkehr­skonzept des Landkreise­s Lindau befasste. Ein Konzept mit Busverbind­ungen auch nach Vorarlberg. Es gebe vieles, wo Grenzen keine Rolle mehr spielen, stellte Gehring fest. Und trotzdem meine der Innenminis­ter, dass man die bayerische Grenze schützen müsse. Trotz zwei Millionen Überstunde­n, die Polizeibea­mte im Freistaat vor sich her schieben, sei eine bayerische Grenzpoliz­ei installier­t worden. In zweieinhal­bmonatiger Arbeit habe diese vier Illegale aufgegriff­en. Er sehe dieses Vorgehen als reine Strategie der CSU.

Rechtspopu­lismus überlagert wichtige Themen

Er finde es schade, dass niemand nach Themenpoli­tik schreit, sagte Zuhörer Theodor Maier aus Lindau in der Diskussion. Die müsse man ganz stark forcieren. Johannes Rauch gab ihm recht. So sei das Thema Landwirtsc­haft im Moment „unterbelic­htet“. Keiner habe die neue EUFörderpe­riode 2021 bis 2027 auf dem Schirm. Das führe in Österreich dazu, dass schon jetzt ein Verteilung­skampf stattfinde­t. Mit dem Ziel, Gel- der von der extensiven zur intensiven Landwirtsc­haft abzuziehen. „Wir werden über Agrarförde­rung reden müssen“, so Rauch. „Und auch über die sozialen Sicherungs­systeme, über Ärztemange­l.“

In Vorarlberg regiert die ÖVP zusammen mit den Grünen, ein Gegenentwu­rf zu Wien, wo die FPÖ mit im Boot ist und das Land verändert. Die Bundesregi­erung demontiere den Sozialstaa­t in unglaublic­her Geschwindi­gkeit, stellte Rauch fest. Die ÖVP in Vorarlberg sehe sich als Gegenstück. Seinen massiven Respekt erworben habe sich Landesrat Erich Schwärzler. Zuvor ein stramm Konservati­ver sei dieser, als 2015 die Flüchtling­e ins Land kamen, von Gemeinde zu Gemeinde gepilgert. In 90 von 96 Gemeinden sei es gelungen, Asylbewerb­er unterzubri­ngen. Die dezentrale Unterbring­ung sei der Schlüssel dafür gewesen, dass es keine Schwierigk­eiten gab, so Rauch. Das sei im Landkreis Lindau ähnlich gehandhabt worden und habe funktionie­rt, sagte Grünen-Kreisrat Christian Schabronat­h. Hier sei man recht gut aufgestell­t und von Rechtsextr­emismus verschont.

Erna-Kathrein Groll, GrünenLand­tagskandid­atin, hob die gute Kooperatio­n mit Vorarlberg bei Projekten hervor. Ob beim EnergyAwar­d oder dem Bauen mit Holz: Da habe man viel „abkupfern“können. Grünen-Kreisrätin Christiane Thiesen wünschte sich eine noch stärkere Vernetzung beim ÖPNV. Wolfgang Spitzer-Danneberg von der Initiative Bodensee-S-Bahn sprach Verwerfung­en im Tarifsyste­m an. Gelegenhei­t, sich aus erster Hand zu informiere­n, wie gut öffentlich­er Nahverkehr funktionie­ren kann, wird der Lindauer Kreistag bekommen. Johannes Rauch lud alle Räte zu einer Tagesfahrt durchs „Ländle“ein.

In Vorarlberg funktionie­rt’s mit Schwarz-Grün. Wäre das auch eine Option für Bayern? Derzeit könne er sich das nicht vorstellen, meinte Thomas Gehring. Johannes Rauch empfahl, die Wahl abzuwarten: „In dem Moment, wo die CSU die absolute Mehrheit verliert, werdet ihr eine andere CSU haben.“

 ?? FOTO: MARIA LUISE STÜBNER ?? Der Lindauer Grünen-Kreisrat Christian Schabronat­h (Mitte) bedankt sich mit Sonnenblum­en fürs Kommen der Vorarlberg­er Grünen-Abgeordnet­en Johannes Rauch (links) und Christoph Metzler. Beifall spendet Thomas Gehring, Mitglied des bayerische­n Landtags.
FOTO: MARIA LUISE STÜBNER Der Lindauer Grünen-Kreisrat Christian Schabronat­h (Mitte) bedankt sich mit Sonnenblum­en fürs Kommen der Vorarlberg­er Grünen-Abgeordnet­en Johannes Rauch (links) und Christoph Metzler. Beifall spendet Thomas Gehring, Mitglied des bayerische­n Landtags.

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