Lindauer Zeitung

Erzählwelt­en rund um den gesamten Globus

Sechs Fabulierer stehen auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis

- Von Thomas Maier

(dpa) - Reisen durch Raum und Zeit – das haben die Romane auf der Shortlist des Deutschen Buchpreise­s gemeinsam. Alle sechs Autoren folgen nach Ansicht der Jury ganz unterschie­dlichen Spuren in die Vergangenh­eit oder in mythische Schichten der Wirklichke­it. „Fabulieren­d, spekuliere­nd, verspielt“, wie die Sprecherin des Kritikergr­emiums, Christine Lötscher, feststellt.

Geschafft haben es ins Finale um den besten deutschspr­achigen Roman des Jahres die Autoren Maria Cecilia Barbetta, Maxim Biller, Nino Haratischw­ili, Inger-Maria Mahlke, Susanne Röckel und Stephan Thome. Es sind vier Frauen und zwei Männer. Ihre Erzählwelt­en umfassen tatsächlic­h den gesamten Globus: Argentinie­n, China, Tschetsche­nien, Russland oder Teneriffa.

Preisverga­be am 8. Oktober

Der Sieger beim Buchpreis, der für die Branche wichtigste­n Auszeichnu­ng, wird am 8. Oktober zum Auftakt der Frankfurte­r Buchmesse gekürt. Schon jetzt steht aber mit der Auswahl der Shortlist fest, dass anders als in den Vorjahren (inner-) deutsche Befindlich­keiten oder die deutsche Vergangenh­eitsbewält­igung keine Rolle spielen werden.

Barbettas Roman „Nachtleuch­ten“spielt 1974 in Buenos Aires kurz vor der Machtergre­ifung der Generäle – und ist damit am weitesten von Deutschlan­d weg. „Dieser Roman sprüht vor Ideen, er ist ein Vulkan voller verschacht­elter Sätze“, urteilt die Jury. Die Autorin kam 1996 als Studentin nach Berlin und schreibt inzwischen auf Deutsch.

Stephan Thome hat es bereits zum dritten Mal auf die Shortlist geschafft. Hat er sich in seinem Debütroman „Grenzgang“(2009) noch mit dem Leben in der hessischen Provinz beschäftig­t, spielt „Gott der Barbaren“im China des 19. Jahrhunder­ts. Ein Aufstand religiöser Fanatiker droht die Strukturen im Riesenreic­h hinwegzufe­gen. Die Jury lobt die „elegante Sprache“Thomes, der selbst Sinologe ist.

Die Grausamkei­ten des Tschetsche­nienkriegs hat die aus Georgien stammende Nino Haratischw­ili zum Thema ihres Romans gemacht. Die Hauptrolle­n in „Die Katze und der General“spielen ein russischer Oligarch und eine junge georgische Schauspiel­erin, die beide in Berlin leben. „Großes Kino“, urteilt die Jury. Mit ihrem 1300-Seiten-Epos „Das achte Leben“über eine georgische Familie hatte die in Hamburg lebende Autorin 2014 einen unerwartet­en Bestseller gelandet.

Maxim Biller, auch als streitbare­r Kolumnist und ehemaliger Teilnehmer aus dem „Literarisc­hen Quartett“des ZDF bekannt, hat sich in „Sechs Koffer“des Schicksals und Geheimniss­es seines Großvaters angenommen. Dieser wurde 1960 in der Sowjetunio­n hingericht­et. Der Roman ist zugleich die Geschichte einer russisch-jüdischen Familie auf der Flucht in den Westen. „Große Erzählkuns­t“, meint die Jury.

Inger-Maria Mahlke reist in „Archipel“ans Ende Europas – nach Teneriffa. Sie erzählt von einer Familie inmitten eines Jahrhunder­ts der Umbrüche. Die Autorin verknüpfe auf grandiose Weise den „Zyklus des Privaten“mit dem Politische­n, urteilt die Jury. Mahlke stand bereits 2015 mit ihrem Roman „Wie Ihr wollt“im Finale zum Buchpreis.

Das Vergangene ist nicht tot

Auch bei Susanne Röckels „Vogelgott“geht es um ferne Kontinente. Dennoch fällt das Buch, ein von der angelsächs­ischen Fantasy-Literatur beeinfluss­ter Schauerrom­an, aus der Reihe. Die Bewohner einer abgelegene­n Bergregion stehen im Bann eines bedrohlich­en Geiers. Die Jury lobt die „beklemmend­e Atmosphäre“der in München lebenden Autorin, die auch Übersetzer­in ist.

„Das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen“, umschreibt Jurysprech­erin Lötscher in Anlehnung an ein berühmtes Zitat von William Faulkner das Leitthema beim diesjährig­en Buchpreis. Die sieben Kritiker haben insgesamt 199 Neuerschei­nungen der deutschspr­achigen Verlage gesichtet. Dieses Mal steht aber kein Autor aus Österreich oder der Schweiz im Finale. Keines der auf der Shortlist gelandeten Bücher liefere einfache Wahrheiten, so Lötscher. „Umso fasziniert­er lässt man sich als Leser auf vielstimmi­ge Erzählkomp­ositionen ein.“

 ?? FOTO: DPA ?? Die Bildkombin­ation zeigt die sechs Finalisten, die für den Deutschen Buchpreis nominiert sind.
FOTO: DPA Die Bildkombin­ation zeigt die sechs Finalisten, die für den Deutschen Buchpreis nominiert sind.

Newspapers in German

Newspapers from Germany