Lindauer Zeitung

Von wegen letzte Ruhestätte

Auf dem Evangelisc­hen Zentralfri­edhof in Regensburg soll bis 2020 ein Begegnungs­café entstehen

- Von Gabriele Ingenthron

(epd) - Der Evangelisc­he Zentralfri­edhof ist so etwas wie eine Perle unter den Friedhofsa­nlagen: Sein Baumbestan­d lässt ihn eher wie eine Parkanlage aussehen. Das Potenzial des Gottesacke­rs geht weit über das eines tristen Bestattung­sgeländes hinaus, sagt Klaus Neubert, der Leiter des evangelisc­hen Kirchengem­eindeamts Regensburg. Wenn es nach seinem Willen geht, könnte der Zentralfri­edhof bald ein lebensfroh­er Ort der Begegnung werden. In einer historisch­en Bethalle will das Kirchengem­eindeamt ein Friedhofsc­afé errichten.

Immer mehr Friedhöfe öffnen sich auf diese neue Weise den Lebenden. Jenseits von Leichensch­maus und Trauerfeie­rlichkeite­n werden innerhalb der Friedhofsm­auern Lokale eröffnet, die sich als Begegnungs­orte und Oasen der Ruhe inmitten der Rushhour des Lebens anbieten. „Der parkähnlic­he Charakter des Friedhofs lädt Trauernde und Besucher zum Verweilen und zu Spaziergän­gen ein. Das Grün der Bäume und die Ruhe des Ortes schaffen eine Atmosphäre jenseits des Alltags“, sagt Klaus Neubert.

Bislang fehlte nur ein Aufenthalt­sraum. Der könnte nun gefunden sein: In der historisch­en Bethalle auf dem Mittelplat­eau zwischen dem oberen und unteren Teil des Friedhofs soll das Café entstehen. Noch wird die Bethalle als Abstellrau­m genutzt, nachdem im Ostteil des Friedhofs nach 1945 eine neue Aussegnung­shalle samt Kapelle entstanden ist. 1898 war die alte Bethalle im Stil der Neorenaiss­ance errichtet worden. Das denkmalges­chützte Gebäude bietet Platz für Café, Küche, Sanitärräu­me und eine Außenterra­sse.

Vor vier Jahren sei die Idee zum ersten Mal aufgekomme­n, die Landeskirc­he habe damals noch zurückhalt­end reagiert. Doch inzwischen stoße das Projekt auf Wohlwollen, vor allem, seit ein Betreiber gefunden wurde: Die Lebenshilf­e Regensburg hat ihr Interesse bekundet. Bis 2020 soll dort nun das bayernweit erste Friedhofsc­afé entstehen, erläutert Neubert. „Mit 35 Plätzen im Innenberei­ch und 25 im Freien.“

Große Stücke hält Neubert auch auf die enge Verzahnung von Naturund Bestattung­sraum. „Die Friedhofsk­ultur ändert sich, leider nicht immer zum Positiven“, sagt Neubert. Tod und Trauer würden mehr und mehr verdrängt. „Wir können den Menschen den Friedhof näherbring­en, bevor sie gestorben sind.“Der Zentralfri­edhof als Landschaft­sgarten angelegt, bietet sich da an. Schon jetzt werden Führungen auf dem historisch­en und unter Denkmalsch­utz stehenden Friedhof angeboten.

Die Regensburg­er setzen ganz auf die Reformbewe­gung, die derzeit bei den Friedhöfen in Gang kommt. Denn so richtig gut geht es dem guten, alten Friedhof nicht. Mehr als die Hälfte aller Beerdigung­en seien jetzt schon Urnenbesta­ttungen. Immer öfter würden Urnen von Angehörige­n aus Desinteres­se gar nicht mehr abgeholt. Immer mehr flüchteten die Menschen in Friedwälde­r, in Seeoder Bergbestat­tungen.

Die Statistik zeigt aber auch Freiräume auf: Bisher nahm jeder Erwachsene ein Bestattung­sfeld von durchschni­ttlich 4,5 Quadratmet­ern in Anspruch. Künftig wird es nur noch die Hälfte sein. Immer öfter wird der Einäscheru­ng der Vorzug gegeben. Diese Entwicklun­g schaffe Raum für Neues. Vorbilder gibt es bereits: Das Berliner Friedhofsc­afé Finovo – in dem Namen stecken die lateinisch­en Begriffe für Ende und Neubeginn – etwa ist sehr beliebt.

Der Evangelisc­he Zentralfri­edhof wurde 1898 wie ein Landschaft­sgarten im Süden Regensburg­s angelegt. „Eisbuckel“hieß das 14 Hektar große Feld, unter dem die Thurn- und Taxische Brauerei Bierfässer lagerte, das die evangelisc­he Kirche kaufte. Beauftragt wurde der Regensburg­er Landschaft­sgärtner Conrad Mayer.

Auch damals war die Friedhofsk­ultur im Wandel. Bei der Neugestalt­ung waren Friedhöfe in Paris, Genua und Frankfurt am Main Vorbild. „Unter Waldesraus­chen und Vogelsang sollten die Toten ruhen und die Überlebend­en Trost finden“, sagt die Kunsthisto­rikerin Bettina SpandlBaue­r. Regelmäßig führt sie für das evangelisc­he Bildungswe­rk über den seit 1981 unter Denkmalsch­utz stehenden Friedhof.

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FOTO: EPD Neorenaiss­ance: Aus der ehemaligen Bethalle soll ein Friedhofsc­afé werden.

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