Archive des Lebens
Ausstellung in Mannheim zeigt spektakuläre Mumien aus aller Welt
Von Julia Giertz zu Krankheiten, Aussehen und regionaler Zugehörigkeit“, erläutert Rosendahl.
Aber schon heute fördern die Wissenschaftler Erstaunliches zutage: Ein mit einer Krieger-Tunika der Inka bekleidetes Exponat entpuppt sich nicht als Krieger, sondern als ein sieben- bis neunjähriger hockender Junge, der mit angezogenen Beinen mumifiziert wurde. Der Brustkorb des Kindes wurde geöffnet, Teile des Herzens entnommen und die Leber zerstückelt. Rosendahl: „Wir wissen, dass es bei den Inka Kinderopfer gab.“Es sei nicht auszuschließen, dass den Jungen vor 400 bis 500 Jahren ein solches Schicksal ereilte. Eine 3-D-Animation erlaubt Einsichten in das schaurige Bündel.
Zurschaustellung in der Kritik
Die Ausstellung zeigt die MumienBestattung als weltweites Phänomen. So bemühte sich die Kirche im Mittelalter um die Konservierung von Päpsten, Kaisern und Königen. Die Maori in Neuseeland präparierten die Leichen von hochgestellten Persönlichkeiten. Und bei einem Volk im Hochland von Papua-Neuguinea gibt es noch heute eine Mumifizierungstradition. Aus moderner Zeit ist etwa der einbalsamierte Körper des Gründers der Volksrepublik China, Mao Zedong, bekannt.
In den meisten Kulturen ist die Totenruhe bis heute ein hohes Gut. Wer sie stört, macht sich strafbar. Doch gilt das auch für uralte Mumien? Die Direktorin des Ägyptischen Museums München, Sylvia Schoske, sieht das so und verzichtet deshalb in ihrem Haus auf das Zeigen von Mumien. Besucher finden stattdessen eine Hinweistafel vor, die erklärt, dass die „Zurschaustellung des Leichnams eines alten Ägypters gleichbedeutend mit dessen Verdamnis“ist.
Sensationsfund steht am Anfang
In Mannheim respektiert man solche Entscheidungen. Rosendahl wehrt sich aber gegen den Vorwurf der „Mumienprostitution“. Er erfülle vielmehr seinen Bildungsauftrag als Museumsleiter, die großen Themen der Menschen aufzugreifen, und der Tod sei zweifellos eines der größten Themen überhaupt, sagt er im Magazin „Spiegel“. Und tatsächlich ist es berührend in Mannheim festzustellen, wie sich Rituale bis heute halten.
Den Anfangspunkt der Mumienforschung in Mannheim markiert übrigens ein sensationeller Fund. 2004 entdeckten Restauratoren bei Aufräumarbeiten in der hintersten Ecke eines Depots 20 Mumien und Mumienteile in unbeschrifteten Kartons, die nach kriegsbedingter Ausund wieder Wiedereinlagerung auf keiner Inventarliste mehr zu finden waren. 2007 wurde der unverhoffte Schatz der Öffentlichkeit erstmals gezeigt. Danach ging die Schau auf Wanderschaft. Jetzt kehren die Mumien in ihre badische Heimat zurück.