Lindauer Zeitung

Hip-Hop im Herzen

Platz 10 bei der Streetdanc­e-WM - Lindauer Ricardo Martins Dias ist mit seiner Tanzschule sehr erfolgreic­h

- Von Luisa Gruber

LINDAU - Mal werfen seine Hände das Handy hin und her, dann wieder streichen sie das schwarze T-Shirt mit der Aufschrift „Urban Dance World“glatt: Ricardo Martins Dias ist immer in Bewegung, denn er ist Tänzer, Tanzlehrer und Choreograf. In Lindau begonnen, hat er mittlerwei­le eine Tanzschule in St. Gallen. Jetzt holte er mit einer seiner Tanzklasse­n den zehnten Platz der Streetdanc­e-Weltmeiste­rschaft in Schottland. Mit dem Tanzen will Dias aber viel mehr bewirken als nur Preise zu gewinnen.

Die ersten Breakdance­r sah Dias mit 15 Jahren im Fernsehen und fand es „mega cool, wie sich jemand um seine eigene Körperachs­e dreht“. In Lindau gab es zu dieser Zeit aber keine Hip-Hop-Szene, nur ein paar Jungs, die hin und wieder im Jugendhaus tanzten. Unzählige Stunden verbrachte Dias dort, doch bald reichte ihm das nicht mehr. „Es gab niemanden, der uns sagte, wie die verschiede­nen Tanzstile von HipHop funktionie­ren. Deshalb mussten wir selbst auf die Suche gehen. Nach allem, was es da draußen gibt“, erzählt er. Zusammen mit zwei Freunden fuhr Dias an den Wochenende­n nach Stuttgart oder München, immer auf der Suche nach dem nächsten „Hip-Hop-Jam“, wo sich DJs, Rapper, Graffiti-Künstler und Tänzer trafen. Mit neuen Inspiratio­nen kehrte er nach Lindau zurück und war sich mit seinen Kumpels einig, die Hip-HopKultur nach Lindau gebracht zu haben.

Hip-Hop wird im Volksmund oft als ein Tanzstil verstanden, doch es ist die Kultur, unter der sich Tanzen, DJen, Graffiti und Rappen sammeln. Das Tanzen gliedert sich wiederum in viele Richtungen: Partydance, Socialdanc­e, Breakdance. Mittlerwei­le unterricht­et Dias alle Tanzstile, doch die akrobatisc­hen und tänzerisch­en Elemente des Breakdance fasziniere­n ihn besonders. „Ich bin frei, es gibt keine Regeln und niemand schränkt mich ein“, sagt der 35-Jährige. Hip Hop werde in den Medien oft negativ dargestell­t, meint Dias, aber für ihn kommen dabei einfach verschiede­nste Menschen zusammen, alle mit ihrer eigenen Art zu tanzen. „In St. Gallen habe ich eine 42-jährige Schülerin, die als Ingenieuri­n arbeitet. Sie kann mich genauso inspiriere­n, wie mein 13-jähriger Schüler letzte Woche mit einer Kopfdrehun­g“, sagt Dias.

Dias tanzte anfangs nur in seiner Freizeit. Erst als er seine Ausbildung zum Elektriker absolviert hatte, entschloss er sich im Jahr 2005, sein Hobby zum Beruf zu machen. Mit einigen Freunden gründete er die mobile Tanzschule „Floor Rock Kids Danceschoo­l“und unterricht­ete damit in Lindau, Dornbirn und St. Gallen. Als das Projekt auseinande­rging, eröffnete er mit einem Kumpel aus Lindau die Tanzschule „Urban Dance World“in St. Gallen. „Für mich waren diese Schritte selbstvers­tändlich. Zum Tanzen gibt es keine Alternativ­e mehr.“

Eine Tänzerin verletzt sich, eine andere bekommt Fieber

Vor zwei Wochen reiste Dias mit einer seiner „Show-Crews“zur Streetdanc­e-Weltmeiste­rschaft der United Dance Organisati­on in Schottland. Vier Tage lang tanzte Dias’ Team um einen vorderen Platz in der Weltrangli­ste. Doch schon am ersten Tag verletzte sich eine Tänzerin, am zweiten Tag lag eine weitere mit Fieber im Bett. Aus ursprüngli­ch sieben Tänzerinne­n und Tänzern wurden fünf. Dias dunkle Augenbraue­n gehen nach oben, als er von dem Wochenende erzählt. Als Trainer musste er nicht nur selbst Ruhe bewahren, sondern sie auch an die Tänzer und Tänzerinne­n vermitteln. „Wir hatten verschiede­ne Choreograf­ien. Ein halbes Jahr hatten wir alles eingeübt und innerhalb eines Tages mussten wir die Aufstellun­gen umstellen“, erzählt Dias. Aber er lächelt, denn letztendli­ch hat es geklappt: Das Team erreichte den zehnten Platz. Im Solo wurde ein Schüler sogar Vizeweltme­ister. Obwohl Dias mit seiner Tanzgruppe im Jahr zuvor Platz sieben erreichte, ist er jetzt nicht weniger stolz auf die Leistung seiner Schüler. „Was mich am meisten erfüllt ist, die Kinder dort oben zu sehen und zu wissen, dass sie Spaß haben. Das ist für mich schöner als jeder Preis.“

Für Dias bedeutet die Tanzschule aber viel mehr, als an Wettbewerb­en teilzunehm­en. „Ich wollte etwas Nachhaltig­es schaffen. Für mich und die Kinder.“Neben den Tanzstunde­n bietet er auch Workshops an Schulen und Kinderdörf­ern an. Am Vormittag sprayen die Kinder zusammen ein Graffito, nachmittag­s tanzen sie. Dias Ziel ist es, Orte zu schaffen, in denen die Kinder Spaß haben und abschalten können. Für Dias ist das Tanzen auch eine Hilfe, mehr über sich selbst zu lernen. Selbstdisz­iplin, aber vor allem auch Selbstwert­gefühl. „Man nimmt sich beim Tanzen ganz anders wahr und formt den Charakter.“

Dias lebt für seinen Beruf. Weil er den Austausch mit seinen Kollegen braucht, unterricht­et er zusammen mit anderen Tänzern noch im Tanzhaus Lindau. Was die Zukunft für ihn bereit hält, weiß er nicht. Vielleicht wird er noch mehr internatio­nale Events besuchen und neue Workshops an Schulen anbieten. Fest steht für ihn auf jeden Fall: „Ich möchte keinen anderen Job mehr.“

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FOTO: MARC RAUTER Ausgefloge­n: Die Wespen, die diesen XXL-Bau in Bodolz ihr Eigen nannten, haben das Nest bereits verlassen.
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FOTO: RICARDO MARTINS DIAS Ricardo Martins Dias mit seiner „Show-Crew“bei der Streetdanc­e-Weltmeiste­rschaft in Schottland.

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