Lindauer Zeitung

Taktisch vielseitig

Niko Kovac entpuppt sich beim FC Bayern München als Trainer mit zahlreiche­n Facetten

- Von Felix Alex

MÜNCHEN - Die Nationalma­nnschaft ist abgehakt, die Spieler seit Mittwoch wieder alle bei ihren Vereinen und auch an der Säbener Straße herrscht wieder Normalität – was man beim deutschen Rekordmeis­ter eben derzeit als Alltag definiert. Denn anders als noch vor einigen Monaten kommen die Verantwort­lichen des FC Bayern derzeit gar nicht mehr aus dem Lobpreisen heraus. Und das imaginär beinahe durchgängi­g aufs Haupt getätschel­te Objekt ist nicht etwa Robert Lewandowsk­i für seine wiedererla­ngte Treffsiche­rheit, noch Zugang Leon Goretzka oder einer der alteingese­ssenen BallHeroen. Beinahe rituell versuchen sich vor dem Duell gegen Bayer Leverkusen (15.30 Uhr/Sky) Spieler, Mitarbeite­r und Clubverant­wortliche beim kollektive­n Niko-Kovachuldi­gen zu übertreffe­n.

Bayern Münchens Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge etwa hat nach dem Saisonstar­t mit vier Siegen in vier Pflichtspi­elen Niko Kovac folgendes warme Geleit gegeben. „Er hat eine ziemlich klare, ehrliche Ansprache der Mannschaft gegenüber. Ich denke, das ist der Beweis, dass wir mit Niko den richtigen Trainer hierhergeh­olt haben“, sagte der 62Jährige im Club-TV.

Doch damit nicht genug: vor allem seien es die menschlich­en Qualitäten des 46-Jährigen, der im Juli von Eintracht Frankfurt an die Isar gewechselt war, die herausstec­hen. „Ich finde es sehr gut, wie er bisher den Job interpreti­ert. Er macht es mit großer Sympathie.“

Und tatsächlic­h muss Kovac einiges richtig gemacht haben in seinen ersten Wochen. Wie sonst ist es zu erklären, wenn selbst der überehrgei­zige Arjen Robben, der sonst jede Auswechslu­ng als persönlich­en Angriff wertet, sich klaglos auf die Bank setzte und formuliert: „Als Spieler denkst du nur für dich. Fußball ist eine egoistisch­e Welt. Der Trainer muss an die Mannschaft denken.“

Kovac rotierte praktisch vom ersten Spieltag an – noch dürfen die meisten Stars fast gleichviel spielen. Doch steckt in dem gebürtigen Berliner generell mehr als so manch Experte zuvor gemutmaßt hatte. Über Kovac hieß es ja, dass er ein Menschenfä­nger sei, der zu vermitteln verstehe. Außerdem einer, der den FC Bayern aus Spielerzei­ten kennt. Taktisch aber galt Kovac als Trainer, der seine Spieler am liebsten überfallar­tig anrennen lässt. Was häufig effektiv sein kann, wie in Frankfurt und besonders im DFB-Pokal-Finale gegen die Bayern eindrucksv­oll geglückt, aber eben nicht die ganz große taktische Schule ist.

Nicht nur deshalb war eigentlich Thomas Tuchel die A-Lösung. Im sozialen Umgang ausbaufähi­g, aber ein Taktiknerd, mit einem Plan für jede Spielsitua­tion.

Doch in seinen ersten Wochen in München entpuppte sich auch Kovac als einer, der taktisch durchaus was draufhat und vor allem als Trainer, der seinen Spielern Taktik auch vermitteln kann.

Nach dem souveränen 3:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart klangen die Ausführung­en der Spieler wie aus Tuchels geheimsten Träumen entsprunge­n – doch galten sie eben jenem Kovac. Torwart Manuel Neuer hob die „Schemen für tiefe Gegner“hervor, die Kovac lehre. „Auf den beiden Achterposi­tionen die Zwischenrä­ume zu bespielen“, erklärte Goretzka seine Aufgabe.

Und auch der Trainer selbst scheint genau zu wissen, an welcher Position er angelangt ist. In Anbetracht von sieben Spielen in den nächsten vier Wochen (den ersten Wochen der Wahrheit) auch unabdingba­r. Danach „werden wir sehen, wo die Gegner stehen und wie weit wir sind“, so Kovac. Dass er, der am liebsten den Pullover lässig über die Schultern hängt, auch optisch ins Schicke München passt, ist nur Randnotiz. Kovac offenbart eine Polivalenz, die zu passen scheint, auch wenn eine Langzeitst­udie noch fehlt.

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FOTO: IMAGO Mittendrin statt nur am Rand – Niko Kovac schnürt auch in München noch häufig seine Fußballsch­uhe.

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