Das süße Gift der Schulden
Einer der größten Finanzmarktschocks der Wirtschaftsgeschichte jährt sich zum zehnten Mal: Der Untergang der US-Investmentbank Lehman Brothers steht als Fanal für eine Finanz- und Wirtschaftskrise, in der Millionen Menschen arbeitslos wurden, ihre Eigenheime oder Ersparnisse verloren und in die Armut gedrängt wurden. Und er steht für eine entfesselte, zum Teil kriminelle Finanzindustrie, in der Gier Hirn frisst, in der Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.
Zehn Jahre nach dem Urknall im globalen Finanzsystem stellen sich etliche Fragen: Haben wir daraus gelernt? Haben wir die richtigen Weichenstellungen getroffen, dass sich so etwas nicht wiederholt? Ist der Finanzsektor heute krisenfester aufgestellt?
Zweifel sind angebracht. An Gesetzen zur Regulierung der Finanzindustrie mangelt es nicht. Auch sind die Banken inzwischen mit deutlich mehr Kapital ausgestattet als damals. Der Puffer, Verluste zu absorbieren, ist höher. Doch das Risiko, dass pleitegehende Banken eine Systemkrise auslösen, ist heute höher als damals. Nach den Fusionen und Übernahmen im Finanzsektor in der vergangenen Dekade gilt „too big to fail“mehr denn je.
Wichtiger noch aber ist: Der globale Schuldenberg – vor allem der an Staatsschulden – ist seit Lehman weiter gewachsen. Das macht die Banken, die Finanzmärkte verletzlich. Noch kaschieren die gut laufende Weltwirtschaft und niedrige Zinsen dieses Risiko. Doch der nächste Abschwung kommt bestimmt – durch Handelskrieg und Protektionismus vielleicht früher als später.
Und irgendwann wird die alte Krisenstrategie versagen. Die sieht seit Jahrzehnten so aus, dass die Notenbanken Finanzinstitute bei Problemen heraushauen – indem sie die Geldschleusen öffnen und die Zinsen senken. Doch mit dieser Praxis wird zugleich die Saat für die nächste Krise gelegt. Denn die Akteure versäumen es regelmäßig, die Liquidität mit höheren Zinsen wieder abzusaugen und so die Schuldenberge zurückzuführen. Irgendwann wird dieses System überdehnt und zusammenbrechen.