Lindauer Zeitung

Antisemiti­smus ist alltäglich

Jüdische Menschen klagen im Freistaat über Anfeindung­en

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MÜNCHEN/BERLIN (epd) - Judenfeind­lichkeit ist einer am Freitag veröffentl­ichten Untersuchu­ng der Rechercheu­nd Informatio­nsstelle Antisemiti­smus (RIAS) zufolge auch in Bayern ein Problem. Die qualitativ­e Befragung von 20 Jüdinnen und Juden zu ihren Erfahrunge­n mit Antisemiti­smus habe ergeben, dass alle Interviewt­en „unmittelba­r von Antisemiti­smus betroffen“sind, wie die RIAS in Berlin mitteilte. Zuvor hatte der Präsident des Zentralrat­es der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, im Bayerische­n Rundfunk erklärt, Judenfeind­lichkeit sei kein rein ostdeutsch­es Phänomen. Antisemiti­smus finde man in allen Bundesländ­ern, auch in Bayern.

Ein Ergebnis der Befragung ist auch, dass der erlebte Antisemiti­smus je nach Region verschiede­n legitimier­t wird. Während die Befragten aus Metropolre­gionen die Träger der antisemiti­schen Einstellun­gen mehrheitli­ch im islamische­n Spektrum verorten, sehen sich die Befragten aus Kleinstädt­en und dem ländlichen Raum eher durch Rechtsextr­eme bedroht und gefährdet. Insbesonde­re israelbezo­gener Antisemiti­smus werde als „neuartiges und besonders relevantes Problem“beschriebe­n. Vor allem die Demos im Sommer 2014 seien als „einschneid­end“erlebt worden.

178 antisemiti­sche Straftaten in 2016

In die RIAS-Untersuchu­ng wurden neben Einzelinte­rviews auch die Zahlen aus der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik sowie Informatio­nen aus Drucksache­n des Bayerische­n Landtages mit einbezogen. Demnach habe es im Jahr 2014 in Bayern 168 antisemiti­sche Straftaten gegeben, 2015 seien es 132 gewesen und in 2016 seien 178 registrier­t worden. Die überwiegen­de Mehrheit der registrier­ten Straftaten sei von rechts verübt worden, die Zahl ausländisc­her Straftäter lag 2014 bei zwölf, 2015 bei acht und 2016 bei elf Tätern – allerdings seien diese überpropor­tional häufig dem „Israel-Palästina-Konflikt“zuzuordnen.

Zentralrat­spräsident Schuster hatte im BR-Radiointer­view gesagt, um gegen Anfeindung von Juden stärker vorzugehen, müsse man im Kindes- und Jugendalte­r ansetzen. So dürfe man das Judentum in den Schulen nicht nur in der „Opferrolle des Nationalso­zialismus darstellen“. Man müsse auch darauf hinweisen, wie lange schon jüdische Menschen in Deutschlan­d ihre Beiträge zum wissenscha­ftlichen und zum kulturelle­n Leben geleistet hätten. Um Antisemiti­smus zu erkennen, müsse man zudem genau hinschauen. Die israelisch­e Regierung dürfe man kritisiere­n, nicht aber ein ganzes Volk zur Verantwort­ung ziehen.

Die RIAS ist ein Projekt des Vereins für Demokratis­che Kultur in Berlin, das von der Zentralwoh­lfahrtsste­lle der Juden in Deutschlan­d getragen wird. Es wird unter anderem vom Bundesfami­lienminist­erium und dem Bundesprog­ramm „Demokratie Leben“finanziell gefördert.

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FOTO: DPA Die überwiegen­de Mehrheit antisemits­cher Straftaten kommt von rechts.

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