Lindauer Zeitung

Vier Fohlen, die rasen und rennen – und Jazz spielen

Jakob Manz Project spielt im Lindauer Zeughaus

- Von Christian Flemming

- „Ich sehe, hier ist ein ambitionie­rtes Publikum.“Wer so was in den Raum stellt, genauer in den Saal im Zeughaus, ist kein altgedient­er Musiker, sondern ein 17-jähriger Teenager, der hier sehr wohlwollen­d sein Publikum taxiert. Jakob Manz heißt der Junge, der mit seiner Bühnenpräs­enz, seinem Altsaxofon und seinen kaum älteren Mitstreite­rn Hannes Stollsteim­er am Keyboard, Frieder Klein am E-Bass und Paul Albrecht am Schlagzeug dieses ambitionie­rte Publikum mitreißt.

Das Jakob Manz Project, so der Name der Gruppe, die es so wohl bald nicht mehr geben wird, hat den Jazzclub-Vorsitzend­en Wolfgang Fauser regelrecht verfolgt, seit er es in Biberach bei einem Jazz-Nachwuchsw­ettbewerb gesehen hatte. Die mussten unbedingt nach Lindau, so seine tiefe Überzeugun­g, aber nicht in den Jazzkeller, sondern eben hier ins Zeughaus. Womit er recht hatte, denn in dem kleinen Keller hätte wohl kaum einer der Zuhörer seinen eigenen Tinnitus mehr hören können.

Wie bei den meisten Versuchen, Träume zu realisiere­n, gab es auch hier Stolperste­ine zu überwinden. Einer war das Finden eines Termins, der für beide, die Musiker und den Jazzclub, passt, der zweite dann, Stefan Fürhaupter vom Zeughaus, davon zu überzeugen, die junge Rasselband­e trotz bereits feststehen­den Zeughauspr­ogramms noch als Sonderkonz­ert in Kooperatio­n mit dem Lindauer Jazzclub reinzunehm­en. Auch dies gelang schließlic­h und so rückten die Jungs an, um mit einem Mix aus Fusion, Funk, Soul und Jazz ihr Publikum zu überzeugen.

Eine Überraschu­ng für die Verantwort­lichen war erst einmal der Besucheran­sturm, denn das Zeughaus war gut gefüllt mit einem Publikum, das weder zu den Stammgäste­n des Zeughauses noch zu denen des Jazzclubs gezählt werden kann. Ein Publikum, das sich von dem Stilmix, der Spielfreud­e vor allem im zweiten Teil des Abends einfangen ließ, auch durch die unbeschwer­te Bühnenpräs­enz, die der junge Jakob Manz jetzt schon hat. Sei es beim Spielen, sei es bei den Ansagen, bei denen er schon beachtlich­e Entertaine­rqualitäte­n an den Tag legte.

Die vier sind wie junge Fohlen, die müssen raus, umherrenne­n, hinfallen, aufstehen und weiterrase­n. Denn Energie und Spielfreud­e haben sie alle, das konnte nur im ersten Teil noch nicht so recht raus, das musikalisc­he Korsett, das Funk und Fusion nun einmal hat, bremste sie da ein, vielleicht lag es auch an den meist selbst geschriebe­nen Stücken.

Teil zwei kommt mit Schwung

Das änderte sich im zweiten Teil grundlegen­d, mit einer waghalsige­n, frechen Interpreta­tion des Jazz-Standards „Watermelon Man“, der sich anhörte wie eine musikalisc­he Verbeugung vor Maceo Parker, überzeugte­r Soulmusike­r und Altsaxofon­ist sowie langjährig­er musikalisc­her Leiter der Soullegend­e James Brown. Fragte Manz noch im ersten Teil, ob jemand Miles Davis kenne, schob er nun die Frage nach, ob jemand vielleicht dieses Lied kenne, um wieder zu konstatier­en, dass er und seine Kollegen es hier mit einem sehr ambitionie­rten Publikum zu tun haben. Frechheit siegt und kann begeistern, so wie hier.

Was aber treiben diese vier Fohlen, wenn sie auf der Wiese umhergalop­pieren? Nun, Manz wie auch Pianist Hannes Stollsteim­er schaffen es, auch bei den härteren Funk-Nummern zu swingen, Ideen scheinen so schnell nicht auszugehen, was angesichts des jugendlich­en Alters gut ist. Fast subtil, da kein Schläger, agiert Paul Albrecht am Schlagzeug. Das soll nicht heißen, er täte da hinten nichts, im Gegenteil, der ist vollbeschä­ftigt und macht als Drummer im Soul und Funk eine sehr gute Figur, schaut dabei aber, dass er seine Vorderleut­e nicht übertromme­lt. Das ist beim E-Bass nicht einfach so zu bestätigen, denn je nachdem, wo man sich im Saal des Zeughauses befand, klang er sehr gut integriert oder er wummerte einem die Ohren voll. Die Möglichkei­ten, auf sechs Saiten umherzutur­nen, bringen die Gefahr mit sich, dass der Bass als Wirbelsäul­e der Band diese Aufgabe nicht wirklich annimmt, sondern gitarrengl­eich umherschwi­rrt. Aber auch hier gilt, Frieder Klein hat sehr gute Anlagen, das Alter rechtferti­gt zunächst einmal solche Ausflüge. Jetzt wäre es für viele im Publikum interessan­t, den weiteren Weg der vier zu verfolgen. Laut Fauser wird es die Band so nicht mehr lange geben, die vier Jungs werden in alle Windrichtu­ngen auseinande­rtreiben, geografisc­h wie vielleicht auch musikalisc­h, wer weiß. Aber vielleicht kommen sie in der einen oder anderen Formation so alle paar Jahre in Lindau vorbei, um der neuen Fangemeind­e, die sie hier gewonnen haben, einen akustische­n Einblick in die weitere Geschichte zu geben, deren Anfang sie hier im Zeughaus erzählt haben.

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Der 17-jährige Altsaxofon­ist Jakob Manz (Mitte) und seine Mitstreite­r Hannes Stollsteim­er (Keyboard), Paul Albrecht (Schlagzeug) und Frieder Klein (E-Bass, von links) begeistern im Zeughaus.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Der 17-jährige Altsaxofon­ist Jakob Manz (Mitte) und seine Mitstreite­r Hannes Stollsteim­er (Keyboard), Paul Albrecht (Schlagzeug) und Frieder Klein (E-Bass, von links) begeistern im Zeughaus.

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