Scheuer geht in die Offensive
Minister fordert höhere Diesel-Umstiegsprämien und verspricht Breitbandausbau auf dem Land
BERLIN/SCHÖNEWALDE - Höhere Umstiegsprämien für Besitzer älterer Diesel und eine Initiative für den Ausbau des schnellen Internets auch im ländlichen Raum – am Montag ist Verkehrs- und Infrastrukturminister Andreas Scheuer (CSU) in zwei Fragen in die Offensive gegangen. Im Kampf gegen zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten drängt Scheuer die Autobauer zu verlockenderen Umstiegsangeboten für Diesel-Eigner. „Die bisherigen Kaufprämien waren offenbar nicht attraktiv genug, sonst hätten sie mehr Leute genutzt“, sagte er. Besitzern älterer Wagen mit hohem Schadstoffausstoß müssten „höchst attraktive Angebote“für den Wechsel in sauberere Autos gemacht werden. „Die Autohersteller sind hier zwingend in der Pflicht.“So bekäme man schnell eine neue, saubere Flotte auf die Straßen. Zugleich sprach sich Scheuer gegen die von Umweltministerin Svenja Schulze favorisierten Hardware-Nachrüstungen aus. Die SPDPolitikerin sagte am Montag zur „Süddeutschen Zeitung“: „Nicht jede oder jeder hat so viel Geld, sich mal eben ein neues Auto zu kaufen, selbst wenn es dafür einen Rabatt gäbe.“Es sei ökologisch und ökonomisch nicht sinnvoll, ein Euro-5-Fahrzeug zu verschrotten, das deutlich mehr wert sei, als eine Nachrüstung koste.
In Sachen Breitbandausbau gehe es um das Versprechen, „dass wir niemanden zurücklassen in diesem Land“, sagte Scheuer beim Start einer Ausstellung im brandenburgischen Schönewalde. Ziel der Koalition sei, bis 2025 flächendeckend eine Versorgung mit Gigabitnetzen zu schaffen. Es sei Unsinn, dass das Förderprogramm des Bundes kaum nachgefragt werde. „Wir setzen das größte Breitbandprogramm Europas um. Inzwischen gibt es 698 Projekte in Deutschland, die wir zusammen mit den Kommunen umsetzen“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“.
Die Wirtschaft fürchtet derweil, dass Deutschland die Einführung des Mobilfunkstandards 5G verschläft. 20 Firmenchefs haben dazu im „Handelsblatt“einen Appell veröffentlicht. Dazu sagte Scheuer, die Versteigerung der 5G-Frequenzen finde schon Anfang 2019 statt. „Wir wollen 5G natürlich zum Fliegen bringen, aber vor 5G ist 4G.“Deshalb seien Vorgaben nötig, um den Mobilfunk flächendeckend verfügbar zu machen.
BERLIN - Jetzt sollen es die Autokonzerne richten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer will die Hersteller „zwingend in die Pflicht“nehmen. „Den Besitzern alter Diesel müssen höchst attraktive Angebote für den Wechsel in saubere Autos gemacht werden“, fordert der CSU-Politiker. Gerade noch hatte Scheuer gebremst und sich gegen HardwareNachrüstungen bei Dieselmotoren von Pkw ausgesprochen.
Nun vollzieht er eine Wende und nennt erste Details für ein neues Konzept gegen Fahrverbote. Ein zentraler Punkt soll offenbar eine höhere Umstiegsprämie werden, um den Anreiz für den Kauf sauberer Wagen zu erhöhen. Bisherige Prämien seien offenbar nicht attraktiv genug. Jetzt müssten die Hersteller nachbessern. Auch Hardware-Nachrüstungen will der Verkehrsminister nicht länger ausschließen. „Wir denken nach allen Seiten“, sagte er.
Auftrag von Merkel
Angesichts weiterer drohender Fahrverbote hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Scheuer in der vergangenen Woche zum Einlenken gedrängt und mit der Entwicklung eines neuen Maßnahmenpakets beauftragt. In den nächsten Tagen will der Verkehrsminister liefern. Wie die Autobauer allerdings in die Pflicht genommen und dazu bewegt werden sollen, Hardware-Umrüstungen von Motoren durchzuführen und dies womöglich noch auf eigene Kosten, bleibt weiter offen. Experten sind der Ansicht, dass es dafür keine rechtliche Grundlage gibt. Bisher hatten sich die Hersteller bereiterklärt, an 6,3 Millionen betroffenen Dieselfahrzeugen Softwareupdates vorzunehmen und auch Kaufprämien für sauberere Fahrzeuge angeboten, weitere Maßnahmen jedoch abgelehnt. Mehr als 200 000 Käufer sollen die Prämien nach Angaben der Hersteller in Anspruch genommen haben.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze dagegen hält wenig von Scheuers Prämien-Plänen. Die SPDPolitikerin besteht weiter auf Hardware-Umrüstungen der Motoren, die Scheuer bisher für Pkws stets abgelehnt hatte. Jetzt droht neuer Streit zwischen den Ressorts. Während der Verkehrsminister davon ausgeht, dass nur zwei Millionen von 5,5 Millionen Dieselfahrzeugen der Schadstoffnorm Euro 5 technisch umgerüstet werden können, bezweifelt das Umweltministerium dies. Einigkeit herrscht dagegen darüber, dass ältere Euro-4-Fahrzeuge nicht nachgerüstet werden können.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter begrüßte gestern Scheuers Wende. „Offenbar haben die Warnungen der Umweltverbände vor Fahrverboten und die Bestätigungen der Gerichte einen gewissen Lerneffekt erzielt. Vielleicht ist es auch nur die Angst vor dem schlechten Wahlergebnis, weil jetzt immer mehr Autofahrer von Fahrverboten bedroht sind, die die CSU und Verkehrsminister direkt zu verantworten haben“, erklärte er am Montag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Bisher lasse sein Konzept allerdings noch auf sich warten. „Seine Vorschläge sind sehr nebulös“, kritisierte der Grüne. Scheuer versuche sich noch immer hinter der falschen Behauptung zu verstecken, die Hardware-Nachrüstung bei Dieselfahrzeugen sei extrem schwierig. „Er drückt sich auch vor der Beantwortung der Frage, wer es bezahlen soll“, sagte Hofreiter weiter.
Der Bund müsse jetzt den Weg frei machen für Hardware-Nachrüstungen, forderte Hofreiter. Dafür brauche es weniger Bürokratie und erleichterte Zulassungen von Nachrüst-Kits für Dieselfahrzeuge. „Und die Autoindustrie muss für die Kosten der Nachrüstungen aufkommen. Schließlich haben sie durch ihre Tricksereien die Probleme erst verursacht“, erklärte der Grünen-Fraktionschef. „Wenn Herr Scheuer jetzt wirklich umsteuern würde, wäre das ein erster Schritt. Hardware-Nachrüstungen sind dringend notwendig. Aber Herr Scheuer macht schon wieder derart viele Einschränkungen, dass am Ende wohl wieder nur eine Mogelpackung herauskommt“, sagte er.