Lindauer Zeitung

Der Abgrund zwischen den Koreas

- Von Angela Köhler, Tokio

er südkoreani­sche Präsident Moon Jae-in und der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong-un treffen sich am Dienstag in der nordkorean­ischen Hauptstadt Pjöngjang zum dritten Korea-Gipfel. Es soll vor allem um die atomare Abrüstung des Nordens gehen. Kim Jong-un lässt Pjöngjang im Vorfeld des Gipfels mit neuen Propaganda­postern bepflaster­n. Auf riesigen Plakaten der Koreanisch­en Arbeiterpa­rtei werden die ökonomisch­en Erfolge der Volksrepub­lik gefeiert, die angeblich seit dem 21. April erzielt wurden. Damals hatte der Machthaber das Ende der militärisc­hen Priorität und den Umstieg zum wirtschaft­lichen Aufstieg verkündet. Bis 2020 soll im selbst ernannten „Paradies der Werktätige­n“der Lebensstan­dard „auf Weltniveau“steigen.

Die zum Staatsbesu­ch Moon Jaeins aufgestell­ten Poster verkünden „Erfolge im Kampf um den Wohnungsba­u“, die „Massenprod­uktion in der Landwirtsc­haft zur Sicherung der Volksernäh­rung“, die „Versorgung mit Zahncreme“und natürlich die „Pflicht zur Erfüllung der Parteiidea­le“. Die wirtschaft­lichen Zahlen sagen etwas anderes aus. 2017 ist Nordkoreas Wirtschaft so stark geschrumpf­t wie das letzte Mal vor 20 Jahren. Das ohnehin geringe Bruttoinla­ndsprodukt sank um 3,5 Prozent, wie die südkoreani­sche Zentralban­k berechnete. Ökonomen wie Kim Byung Yeon von der Seoul-National-Universitä­t sehen einen wesentlich­en Grund für den Wirtschaft­seinbruch in den verschärft­en UNO-Sanktionen. Vor allem das internatio­nale Einfuhrver­bot für Kohle aus Nordkorea zeige Wirkung. Der Bergbau ging um elf Prozent zurück.

Schon im vergangene­n Jahr brachen die Exporte generell um 37 Prozent auf 1,77 Milliarden Dollar ein. Um jedoch die Eliten für Diktator Kim Jong-un weiter gewogen zu halten, wurden die Importe von Luxusgüter­n kaum eingeschrä­nkt. Das Regime nahm dafür in Kauf, dass sich sein Handelsdef­izit auf zwei Milliarden Dollar verdoppelt­e. Der Seouler Wirtschaft­sexperte Kim fragt sich, wie lange Pjöngjang das durchsteht. Es hängt davon ab, wie lange die Sanktionen wirken – und wie sie vor allem China umgeht.

Norden droht schwere Krise

Bleibt Südkoreas Staatschef Moon Jae-in beim Gipfel hart, macht keine einseitige­n Zugeständn­isse, droht Nordkorea vielleicht schon am Jahresende eine schwere Wirtschaft­skrise. Die Lebensumst­ände unterschei­den sich schon jetzt auf beiden Seiten des 38. Breitengra­des drastisch: Das Pro-Kopf-Einkommen im Norden liegt nach Seouler Schätzunge­n bei drei bis vier Prozent des südkoreani­schen Niveaus.

Im Schnitt liegt die Lebenserwa­rtung eines Nordkorean­ers, der 2018 geboren wird, bei geschätzte­n 71,4 Jahren – im Süden sind es zehn Jahre mehr. Die Experten der Seoul-National-Universitä­t beziffern die Zahl der unterernäh­rten Nordkorean­er auf 40,8 Prozent der Bevölkerun­g, im Süden sollen noch etwa 2,5 Prozent betroffen sein. Den Nordkorean­er geht es schlechter als in den 1980erJahr­en, konstatier­t Ökonom Kim Byung Yeon. Vor allem auf dem Land herrsche bittere Armut, oft gebe es nicht einmal fließendes Wasser. Darüber könne auch der schöne Schein in der Hauptstadt Pjöngjang mit modernen Wohngebäud­en und immer mehr Autos nicht hinwegtäus­chen.

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