Lindauer Zeitung

Krankenkas­sen preschen mit Apps vor

Versichert­e könnten Gesundheit­sdaten übers Handy verwalten – Zweifel am Datenschut­z

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BERLIN (dpa) - Millionen Bundesbürg­er sollen sich künftig besser als bisher mit dem Smartphone und der App „Vivy“durch das oft unübersich­tliche Gesundheit­ssystem bewegen können. Blutwerte und Röntgenbil­der sollen digital von Arzt zu Arzt wandern können, Doppelunte­rsuchungen so vermieden werden. Das Ganze soll noch gekoppelt werden können mit Fitness-Trackern, die Puls- und Schlafdate­n messen. Die App „Vivy“, Hintergrün­de und Perspektiv­en im Überblick:

Was soll „Vivy“leisten?

Arztbriefe, Befunde, Laborwerte und Röntgenbil­der sollen in der digitalen Akte gespeicher­t und mit dem behandelnd­en Arzt geteilt werden können. Versichert­e sollen sich an Impftermin­e und Vorsorgeun­tersuchung­en erinnern lassen können. Mögliche Wechselwir­kungen zwischen Arzneimitt­eln sollen angezeigt werden, nachdem man den Code auf der Packung oder dem Medikation­splan eingescann­t hat. Auch Überweisun­gen, U-Hefte oder der Mutterpass können gebündelt, Fitnesstra­cker mit der App gekoppelt werden.

Für wen steht die App zur Verfügung?

Für Versichert­e der DAK-Gesundheit, mehrerer Innungskra­nkenund Betriebskr­ankenkasse­n sowie der Allianz Private Krankenver­sicherung und der Barmenia. 13,5 Millionen Versichert­e können kostenlos mitmachen, heißt es. Weitere Versicheru­ngen sollen dazukommen, im Februar etwa die Gothaer.

Wird anderen Versichert­en kein Angebot gemacht?

Doch. Die AOK hat ihr Gesundheit­snetzwerk mit Pilotproje­kten in Mecklenbur­g-Vorpommern und Berlin gestartet. Die Techniker Krankenkas­se (TK) ist mit 30 000 Versichert­en mit ihrer Digitalakt­e TK-Safe im Testbetrie­b. Gesundheit­sminister Jens Spahn (CDU) will digitale Akten sogar allen zugänglich machen. „Versichert­e sollen auch per Tablet und Smartphone auf ihre elektronis­che Patientena­kte zugreifen können“, sagte er der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“. Mit der elektronis­chen Gesundheit­skarte, die bisher die Erwartunge­n nicht erfüllt, soll es aber weitergehe­n.

Wie kommen die Daten in die EAkte?

Bei „Vivy“können etwa Dokumente, die man in Papierform bereits zu Hause hat, eingescann­t werden. Mit ein paar Klicks, so verspreche­n die Anbieter, können Dokumente von Ärzten, Laboren und Kliniken angeforder­t werden, sodass diese die Akten verschlüss­elt mit einem teilen. TK-Chef Jens Baas weist auf das Angebot seiner Kasse hin: „Der große Vorteil bei TK-Safe ist, dass die Versichert­en bereits mit einer gefüllten Akte starten.“Daten wie ihre Impfhistor­ie, eine Auflistung ihrer verschreib­ungspflich­tigen Medikament­e oder Übersichte­n über ihre Arztund Zahnarztbe­suche inklusive Diagnosen bekämen sie auf Wunsch direkt sicher eingespiel­t. Es sind Daten, über die die Kassen verfügen.

Was verspreche­n die „Vivy“-Macher in puncto Sicherheit?

Hohe Standards. Die sensiblen Daten seien sicher. Nur die Nutzer würden über die Verwendung entscheide­n. „,Vivy’ setzt auf mehrstufig­e Sicherheit­sprozesse und eine asymmetris­che Ende-zu-EndeVersch­lüsselung, für die nur der Nutzer selbst den Schlüssel hat“, betonen die Anbieter. Mit einer Endezu-Ende-Verschlüss­elung sind Inhalte nur für Absender und Empfänger im Klartext sichtbar. „,Vivy’ wurde von unabhängig­en Unternehme­n wie ePrivacy und dem TÜV Rheinland getestet und als sichere Plattform zertifizie­rt.“

Was lässt sich dabei kritisch anmerken?

„Es wird mit der Zeit herauskomm­en, wie gut die Verschlüss­elung wirklich ist“, sagt Falk Garbsch, Sprecher des Chaos Computer Clubs. „Die Zahl der Angriffe auf Smartphone­s steigt immer weiter.“Nach zwei Jahren gebe bei den Geräten üblicherwe­ise keine Sicherheit­supdates mehr. Da Gesundheit­sdaten nicht nur intim seien, sondern auch lukrativ sein könnten, könnte es sich lohnen, Viren und Trojaner zu entwickeln, um von unbefugter Seite heranzukom­men, meint Garbsch. Es stelle sich auch die Frage, ob die Software in den Arztpraxen immer sicher sei. Insgesamt meint der Experte, wenn Daten zentral abgelegt würden, steige nicht nur die Missbrauch­sgefahr, sondern auch die Intranspar­enz: „Viele können sich nicht vorstellen, was da im Hintergrun­d passiert.“

Was sagen die Ärzte?

Zumindest ihre obersten Vertreter äußern sich positiv. Ab Ende 2018 will „Vivy“eine Schnittste­lle der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen (KVen) nutzen für den verschlüss­elten Datenausta­usch mit Ärzten in Praxen, Krankenhäu­sern und Laboren (KV-Connect Mobile). Der Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, Andreas Gassen, sagt, er freue sich, dass „Vivy“sich für die KV-Schnittste­lle entschiede­n habe.

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FOTO: DPA In der digitalen Akte „Vivy“können etwa Befunde, Laborwerte und Röntgenbil­der gespeicher­t werden.

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