Lindauer Zeitung

Damit Integratio­n und Entwicklun­g besser gelingen

Landratsam­t lädt Vereine und Institutio­nen zum Vernetzung­streffen in die Friedensrä­ume der Villa Lindenhof ein

- Von Julia Baumann

LINDAU - Retter, humanitäre Helfer und Menschen, die dazu beitragen, dass die Welt ein besserer Ort wird. Sie alle gibt es im Landkreis Lindau. Einige von ihnen sind bekannt, andere leisten ihre Arbeit still. Doch nun wollen sie ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam noch stärker zu werden.

Dafür haben sie am Montag einen Nachmittag in den Friedensrä­umen der Villa Lindenhof verbracht. Dorthin hatte das Landratsam­t zum „Vernetzung­streffen Entwicklun­g und Migration“eingeladen. Denn: „Es gibt viele kleine Initiative­n, aber kein großes Miteinande­r“, wie Moderator Moritz Kempf sagte.

Um genau zu sein gibt es im Landkreis 26 Organisati­onen, die in den Bereichen Entwicklun­g und Migration arbeiten. Dazu gehören die „Lindau Hilfe für Syrien“ebenso wie die „Friedensrä­ume“, die „Eine-WeltGruppe in Wasserburg“, „Helping Hands for Sri Lanka“, der „Treffpunkt Zech“, das „Unternehme­n Chance“und der „Interkommu­nale Libanon Ausschuss Allgäu“, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das Problem: Einige der Initiative­n sind nicht sehr bekannt, und teilweise kennen sie sich nicht einmal untereinan­der.

Dabei ist der Wunsch nach einem gemeinsame­n Konzept groß, wie Michael Remiorz erklärte. Er hatte von Februar bis Mai dieses Jahres Mitglieder und Vertreter Lindauer Entwicklun­gsund Migrations­initiative­n interviewt. Remiorz hat seine Arbeit im Mai 2017 begonnen. Das Unternehme­n „Engagement Global“fördert seine Stelle zwei Jahre lang, mit dem Ziel, das entwicklun­gspolitisc­he Engagement im Kreis zu stärken. Der Landkreis Lindau hatte sich für dieses Programm beworben.

Die Vernetzung der Initiative­n beginnt im Nu

Am Montagnach­mittag sollten die verschiede­nen Lindauer Initiative­n in Kleingrupp­en zunächst sich selbst und ihre Arbeit vorstellen. Einige nutzen die Gelegenhei­t allerdings direkt, um sich zu vernetzen und ganz konkrete Pläne zu schmieden. „Darf ich Euch beliefern? Ich kann Frauen in Syrien Socken produziere­n lassen. Und ich könnte drei Kilo getrocknet­e Feigen aus Idlib mitbringen“, schlug Adnan Wahhoud von der „Lindau Hilfe für Syrien“vor, nachdem Eva-Maria Ohmayer ihm die Arbeit des Eine-Welt-Ladens in Wasserburg erklärt hatte. Und Martina Stock vom Kreisjugen­dring bekundete Interesse, dem Laden einen Praktikant­en zu vermitteln. In einem nächsten Schritt sollten die Kleingrupp­en darüber diskutiere­n, wie auch diejenigen Flüchtling­e und Migranten erreicht werden können, die nicht aktiv am gesellscha­ftlichen Leben teilnehmen – eine Frage, auf die die meisten Teilnehmer offenbar allein noch keine endgültige Antwort gefunden hatten und die deswegen als zu bearbeiten­de Problemste­llung ausgewählt wurde.

Pater Werner Nidetzky vom „Daniel Comboni Eine-Welt-Haus“in Opfenbach erzählte seiner Gruppe, dass er so oft wie möglich versuche, Menschen direkt zu besuchen und dafür zum Beispiel in Moscheen und Synagogen fahre.

Leah Raasch vom Kreisjugen­dring berichtete von einem Filmprojek­t mit jungen Geflüchtet­en. „Oft ist eine Hoffnungsl­osigkeit da, durch den Film haben sie eine Stimme bekommen“, sagte sie. Zumindest einem Flüchtling habe der Kreisjugen­dring mit dem Filmprojek­t einen Teil seiner Hilflosigk­eit genommen. Der sonst oft niedergesc­hlagene junge Mann erzähle nun immer wieder, dass er sich nicht unterkrieg­en lassen wolle.

Plötzlich wurde deutlich: Es gibt im Kleinen bereits Projekte, die Flüchtling­e und Migranten in ihrer Lebenswelt abholen.

In einem letzten Schritt ging es am Montag dann darum, konkrete, organisati­onsübergre­ifende Projekte zu erarbeiten, die Geflüchtet­en und Migranten, aber auch den Initiative­n, die mit ihnen arbeiten, das Leben erleichter­n. Es entstand die Idee zu einer sogenannte­n Entwicklun­gs-App, über die Menschen, die Hilfe brauchen, niederschw­ellig an die richtigen Informatio­nen kommen könnten. Eine andere Gruppe wollte Konzepte entwickeln, wie die Jugend mehr einbezogen werden kann, eine dritte Gruppe wollte ein Kulturufer ähnlich dem in Friedrichs­hafen gründen. Auch ein bunter Stammtisch sollte entstehen.

Als Moderator Moritz Kempf die Koordinati­on der verschiede­nen Projekte verteilen wollte, wurde aber auch deutlich, wie ausgelaste­t jeder einzelne Teilnehmer mit seiner jetzigen Arbeit offenbar schon ist. Denn keiner konnte die Leitung eines Projekts übernehmen. Trotzdem waren am Montagaben­d alle davon überzeugt, dass die eine oder andere Idee über kurz oder lang umgesetzt wird. Denn der erste Schritt dafür ist bereits getan: Die Initiative­n kennen sich nun.

„Ich kann Frauen in Syrien Socken produziere­n lassen.“ Adnan Wahhoud

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FOTO: SUSI DONNER Die Liegeweise des Strandbads Eichwald ist für Sonnenanbe­ter noch geöffnet.
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FOTO: JULE Eva-Maria Ohmayer erzählt von ihrer Arbeit im Eine-Welt-Laden in Wasserburg. Adnan Wahhoud ist begeistert – und will sie beliefern.

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