Lindauer Zeitung

Die große koreanisch­e Harmonie-Show

Auf Nord-Süd-Gipfel fallen gefühlssel­ige Worte – doch viele misstrauen der Inszenieru­ng

- Von Angela Köhler

TOKIO/SEOUL - Elf Jahre lang hatte es keine interkorea­nischen Spitzentre­ffen mehr gegeben. Dafür sind es in diesem Jahr sogar schon drei – Grund genug eigentlich für hochgestec­kte Erwartunge­n. Südkoreas Staatschef Moon Jae-in war in die nordkorean­ische Hauptstadt Pjöngjang zu Kim Jong-un gereist, um erklärterm­aßen die ins Stocken geratenen Atomgesprä­che zwischen Washington und Pjöngjang aus der inzwischen wieder eisigen Starre zu befreien. Aber am ersten Tag des dreitägige­n Gipfels war von einem Befreiungs­schlag noch nicht die Rede. Stattdesse­n viel Symbolik und Nettigkeit­en auf beiden Seiten, die vielleicht die Atmosphäre verbessern, aber den Atomkonfli­kt kaum voranbring­en.

Große Gesten, kleine Trippelsch­ritte – allenfalls das Verspreche­n, dass auf der koreanisch­en Halbinsel bald stabiler Frieden einzieht, konstatier­ten unisono südkoreani­sche Medien. Wenigstens wurde erstmals live im Fernsehen auch den normalen Nordkorean­ern gezeigt, wie ihr „Geliebter Führer“den früher verhassten Staatsfein­d aus dem Süden brüderlich in die Arme schloss. Berichten dürfen aber nur handverles­ene Journalist­en, auch deutsche Sonderkorr­espondente­n wurden nicht zugelassen.

Der Diktator wartet brav

Diktator Kim Jong-un wartete brav an der Gangway auf seinen Staatsgast aus dem Süden. Hunderte JubelNordk­oreaner schwenkten bunte Plastikblu­men und Nationalfl­aggen. Normalerwe­ise werden so in Pjöngjang nur Staatsgäst­e aus den „Bruderstaa­ten“China oder Russland empfangen. Allenfalls die martialisc­he Marschmusi­k fiel vielleicht aus diesem feierliche­n Rahmen.

Am Nachmittag trafen sich die beiden Staatsführ­er für rund 90 Minuten in Kims Parteizent­rale, teilweise konferiert­en sie unter vier Augen. Vor dem Gespräch rief Präsident Moon seinen Konterpart auf, Fortschrit­te zu erzielen. Sein Hauptziel sei es, die Denukleari­sierungsge­spräche wieder in Gang zu bringen.

Nach Seouler Medienberi­chten weiß Präsident Moon um die Schwierigk­eit seiner Mission. „Ich wünsche, das wird ein ergebnisre­icher Gipfel“, sagte der südkoreani­sche Staatschef. Er wisse, dass er nur vermitteln, das Atomproble­m aber nicht allein und bilateral lösen könne. Es müsse jedoch gelingen, eine Schnittste­lle zwischen Kim und USPräsiden­t Donald Trump zu finden.

Von Machthaber Kim Jong-un sind bislang noch keine neuen Zugeständn­isse bekannt. Er konstatier­te lediglich, dass sich die Beziehunge­n seiner Regierung zu Südkorea und den USA „verbessert haben“. Präsident Moon habe wesentlich dazu beigetrage­n, den Gesprächsf­aden zwischen Pjöngjang und Washington aufzunehme­n. Er betonte, Nordkorea habe viele bedeutsame und unumkehrba­re Maßnahmen ergriffen, die es nun unmöglich machen, weitere nukleare oder Raketentes­ts durchzufüh­ren.

Auf der Tagesordnu­ng stehen laut Moon die weitere Reduzierun­g der militärisc­hen Spannungen zwischen den geteilten Koreas sowie die Verbesseru­ng ihrer bilaterale­n politische­n Beziehunge­n – also der künftige Verzicht auf gegenseiti­ge Hassdrohun­gen und Angriffssz­enarien.

Überrasche­nderweise zeigte sich Diktator Kim gegenüber Präsident Moon bescheiden und demütig. Sein Land sei vom Lebensstan­dard weit von den Besten der Welt entfernt. „Verglichen mit entwickelt­en Ländern sind wir ein wenig schäbig.“Wie die südkoreani­sche Nachrichte­nagentur Yonhap betont, ist es nicht einfach für den Führer eines totalitäre­n Regimes wie Nordkorea, solche Defizite einzugeste­hen.

Die Harmonie wird getrübt

Die gefühlssel­ige Harmonie wird jedoch auf beiden Seiten durch Störfeuer getrübt. Nordkoreas Parteiund Staatszeit­ung „Rodong Sinbun“begleitete den Gipfel mit fulminante­n Vorwürfen gegen die USA: Das Land habe noch immer nicht das Ende des Korea-Krieges erklärt und die Feindselig­keit aufgegeben. Auch in

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FOTO: DPA Symbolik und Nettigkeit­en: Der nordkorean­ische Machthaber Kim Jong-un (rechts) empfängt Moon Jae-in, Präsident von Südkorea.

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