Auf einem Dach hat’s einst gefunkt
Renate und Rudolf Paulus feiern eiserne Hochzeit - Bürgermeister und Landrat gratulieren
LINDAU – Sich beim Tanz kennenzulernen und schließlich den Bund fürs Leben zu schließen, war in früheren Zeiten fast die Regel. Sich aber auf einem Dach in Frankfurt näherzukommen, das haben nicht viele geschafft. Dabei sollten Renate und Rudolf mit ihren fünf bis sechs Mitstudenten nur das Wetter beobachten. Aus den gemeinsamen Wetterbeobachtungen ist eine gemeinsame Ehe geworden, die jetzt 65 Jahre währt.
Die gebürtige Frankfurterin Renate wählte einst das Studium der Meteorologie, kein Studiengang, der die Massen an Studenten anzieht. Aber unter den Kommilitonen war eben dieser Rudolf Paulus aus Pforzheim, der den weiteren Lebensweg mitbestimmen sollte.
Erdöl finden in Griechenland
Alsbald stand die Verlobung an, die Hochzeit folgte, sobald Geld verdient wurde. Allerdings konnte Rudolf seine Kenntnisse der Meteorologie nicht gleich einsetzen, zunächst waren seine Fähigkeiten als Geophysiker gefragt. So sollte er in Griechenland helfen, Erdöl zu finden, dorthin folgte ihm Renate bald nach. Zu finden war da eher nichts, ebensowenig wie im Elsass, wo er anschließend hingeschickt wurde. Als Meteorologe war es zunächst kaum möglich, nach dem Krieg eine Arbeit zu finden, die Flughäfen waren nicht in deutscher Hand. Als die Bundeswehr aus der Taufe gehoben wurde, suchte sie allerdings solche Fachkräfte und fand mit Rudolf den Geeigneten. Er half in Köln, Wetterbeobachtungen via Computer zu erfassen und zu verwerten. Mittlerweile war die Familie auf drei Söhne angewachsen, die heute in Vorarlberg, Graubünden und Kiel leben.
Nach 30 Jahren an der Mosel wechselten die beiden schließlich an den Bodensee, um wenigstens näher an zwei Söhnen zu sein. Wobei, „wer uns am häufigsten von den Söhnen besucht, ist der aus Kiel“, verraten die beiden schmunzelnd. Seit zehn Jahren leben sie nun in Lindau in der Bodenseeresidenz, vom ersten Tag an haben sie die Lindauer Zeitung abonniert. „Ein Frühstück ohne Zeitung ist kein Frühstück“, versichert Renate. Dadurch sind die beiden, er 92 und sie bald 91 Jahre jung, bestens informiert, was sich in der Welt, aber auch in der Region so tut. Das verfolgen sie mit regem Interesse, so den Bahnausbau, die Entwicklung der Flughäfen Memmingen und Friedrichshafen. Und daneben nutzen sie die Angebote der Residenz, in die Stadt gefahren zu werden, oder auch zu einer Weinprobe nach Nonnenhorn. Der Bodenseewein hat sie aber noch nicht wirklich überzeugt, die Jahrzehnte an der Mosel hinterließen da einfach ihre Spuren und „wir haben da unseren speziellen Lieferanten von dort“, da sollte dann nichts schiefgehen.
Die Enkel kommen gerne
Neben ihren Überlegungen zur Politik oder auch der Digitalisierung – beide haben ihren Computer – streuen Renate und Rudolf auch Anekdoten über ihr gemeinsames Leben in die Unterhaltung. Beispielsweise die, als die beiden nach der standesamtlichen Trauung das Rathaus in Frankfurt verlassen und gerade eine Hebamme ihren Weg kreuzt. Dabei schaut die ganz genau hin, ob der Bauch der Braut etwa schon eine Wölbung aufweist. „Aber wir waren brav, pünktlich nach neuen Monaten kam unser erster Sohn auf die Welt“, versichert Rudolf. Überhaupt, mit ihren Kindern, den Schwiegerkindern und den drei Enkeln sind die beiden sehr zufrieden, „die Enkel besuchen uns sogar freiwillig“. Gefeiert wird der Ehrentag aber kaum, „wir haben vor fünf Jahren die diamantene Hochzeit mit der ganzen Familie bei einem Zeppelinflug gefeiert, das muss reichen“, lacht Renate.
Während der ganzen Erzählungen haben die beiden ihren Gästen, Bürgermeister Karl Schober und dem stellvertretenden Landrat Johann Zeh, natürlich Moselwein kredenzt und als Renate wieder gemeinsam mit dem Besuch anstoßen will, stellt sie bei ihrem Mann liebevoll fest: „Du hast schon ausgetrunken, du kleiner Säufer!“Nun, an einem solchen Festtag darf der Wein auch mal schneller den Hals hinuntergleiten.