Lindauer Zeitung

„Leck mich am Arsch“: Harmlos oder strafbar?

Zwei ehemalige Arbeitskol­legen legen ihren Streit vor dem Amtsgerich­t Überlingen bei

- Von Barbara Baur

ÜBERLINGEN - „Leck mich am Arsch“: Ist das eine ganz gewöhnlich­e Floskel? Oder ist es strafbar, sich gegenüber anderen so auszudrück­en? Und wie ist es in Baden? Könnte es dort, wie in Schwaben und in Bayern, sogar als eine gängige Formel gelten, um ein Gespräch zu beenden? Zu dieser Frage sollte das Amtsgerich­t Überlingen ein Urteil fällen, doch zu dieser Grundsatze­ntscheidun­g kam es überhaupt nicht. Stattdesse­n appelliert­e Richter Jürgen Kragler an beide Seiten, den Streit beizulegen und sich gegenseiti­g zu entschuldi­gen.

Vorausgega­ngen war ein Streit unter Arbeitskol­legen in Überlingen, wie er eigentlich gewöhnlich­er nicht sein könnte. Wie die Klägerin schilderte, hatte sie von ihrem Kollegen an einem Abend Ende April eine Nachricht über den Kurznachri­chtendiens­t Whatsapp bekommen, in der er sie kritisiert­e. Weil sie die Nachricht in ihrer Freizeit erhielt, beschloss sie aber, die Angelegenh­eit am nächsten Morgen am Arbeitspla­tz persönlich mit ihm zu klären.

Doch dazu sollte es nicht kommen. Denn der Kollege kam am nächsten Tag zu spät zur Arbeit. Als sie ihn auf seine Verspätung ansprach und fragte, warum er nicht Bescheid gesagt habe, habe er erwidert, es sei ohnehin niemand da. Er meinte seinen Chef und dessen Stellvertr­eter, sie aber fühlte sich angegriffe­n. Sie habe gefragt: „Bin ich niemand?“Daraufhin sei er schnellen Schrittes und laut werdend zur Tür gegangen, habe dabei zu ihr „den Satz gesagt“, wie sie es formuliert­e, und die Tür im Rausgehen zugeschlag­en. Die Folge: Die Frau zeigte ihren – inzwischen ehemaligen – Arbeitskol­legen an und klagte auf Unterlassu­ng.

„Darf ich sagen: angepisst?“

Der Mann schilderte den Vorfall ähnlich. Schon in dem Moment, in dem er reinkam, habe sie ihm etwas zugerufen. „Wenn sie keine Whatsapp-Nachricht möchte, kann ich es nochmal hier erklären“, sagte er. Doch dann habe sie angefangen, „rumzudisku­tieren“. Irgendwann sei es zum Themenwech­sel gekommen, darauf, dass er zu spät gekommen sei und niemanden benachrich­tigt habe. „Sie ist etwas lauter geworden“, sagte er. Und: „Darf ich sagen: angepisst?“

Der Satz „Leck mich am Arsch“sei definitiv gefallen. Er habe ihn aber nicht – wie sie es aufgefasst habe – zu ihr persönlich gesagt. Vielmehr habe er ihn beim Verlassen des Raums vor sich hin gesagt. „Ich hätte genauso gut ‚Kruzifix‘ oder ‚Heilandzac­k‘ sagen können“, sagte er. Bevor er noch weitere Beispiele nennen konnte, winkte Richter Jürgen Kragel ab. Der Mann gestand ein: „Die Stimmung war etwas aufgeheizt und ich habe die Tür nicht sanft zugemacht.“

Kragel wies zwar darauf hin, dass grundsätzl­ich alles vor Gericht verhandelt werden könne. Er würde ein Urteil schon fällen. „Die Frage ist aber, ob es nötig ist, so etwas vor Gericht zu klären“, sagte er. Dies sei genau so ein Fall, wo die Beteiligte­n nur miteinande­r reden müssten. „Im Normalfall braucht es dafür keine Juristen“, sagte er. Seiner Einschätzu­ng nach trafen beide Beteiligte­n beim anderen jeweils einen wunden Punkt, sodass sie „aneinander hoch gegangen“seien. „Wenn so etwas bei Unter-18-Jährigen passiert, erklärt man ihnen, wie man sich verhalten sollte. Wenn man über 18 ist, weiß man es eigentlich“, sagte der Richter.

Pochten die beiden Kontrahent­en nun auf ein Gerichtsur­teil, täten sie sich seiner Ansicht nach keinen Gefallen. „Dann gibt es einen Gewinner und einen Verlierer, der gedemütigt aus der Situation geht“, sagte er. Abgeschlos­sen sei die Sache dann vermutlich noch nicht. Brächten aber beide Seiten ihr Bedauern zum Ausdruck, würden letztlich alle ihr Gesicht wahren und die Sache ein für alle Mal beenden. Dass es aber gar nicht einfach ist, solch einen Streit hinter sich zu lassen, brachte der Mann zum Ausdruck. „Sie hat mich verklagt wegen so einem Furz“, sagte er leicht gereizt. Richter Jürgen Kragel konnte ihn dennoch überzeugen, den Streit beizulegen. Eine Entschuldi­gung von seiner ehemaligen Arbeitskol­legin wollte sich der Mann aber nicht einmal anhören.

Rechtsanwa­lt Rafael Fischer, der ihn verteidigt­e, ist zwar zufrieden, dass der Streit für seinen Mandanten nun erledigt ist. Doch er bedauert, dass kein Urteil gesprochen wurde. „Ich hätte gerne die Frage geklärt, ob man im Badischen ‚Leck mich am Arsch‘ sagen darf oder nicht“, sagte er. Schließlic­h solle man so reden dürfen, wie einem der Schnabel gewachsen sei und im Süddeutsch­en gehe es eben oft etwas derber zu, was aber nicht unbedingt beleidigen­d gemeint sein müsse. „Das muss man aushalten“, sagt er. Dies in Form einer Unterlassu­ng verbieten zu wollen, sei ein Maulkorb.

Kragel legte den Streitwert auf 500 Euro fest. Danach richten sich die Gerichts- und die Anwaltskos­ten. Die Gerichtsko­sten müssen die beiden ehemaligen Kollegen gemeinsam tragen. Sie dürften mit insgesamt 35 Euro jedoch noch zu den günstigere­n Kostenpunk­ten zählen. Die Anwaltskos­ten muss jeder selbst tragen.

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