Lindauer Zeitung

Kampf gegen den Frust

Bierbrauer Gottfried Härle diskutiert beim BBF mit Axel Müller (CDU) und Wahid Akbarzada über Abschiebun­gen

- Von Sebastian Heinrich

FRIEDRICHS­HAFEN - Was passieren würde, wenn die Flüchtling­e nicht mehr da wären? Gottfried Härle sagt: „Dann wird’s schwierig, in der notwendige­n Menge Bier auszuliefe­rn.“Härle ist Chef der gleichnami­gen Brauerei aus Leutkirch im Allgäu, Arbeitgebe­r von fünf Flüchtling­en – und einer der Gründer der Unternehme­nsinitiati­ve „Bleiberech­t für Geflüchtet­e in Arbeit“.

Bei dem Diskussion­panel „Bedrohen Abschiebun­gen den Mittelstan­d?“diskutiert­e Härle mit dem Ravensburg­er CDU-Bundestags­abgeordnet­en Axel Müller und mit Wahid Akbarzada, Gründer des Ravensburg­er Vereins „Impuls Afghanista­n“. Katja Korf, Landtagsko­rresponden­tin der „Schwäbisch­en Zeitung“in Stuttgart, moderierte.

Härle setzt sich seit Monaten öffentlich­keitswirks­am dafür ein, dass Asylbewerb­er, die gut integriert und in Arbeit sind, in Deutschlan­d bleiben dürfen – auch wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Abschiebun­gen dieser Menschen, das sagte er auch beim Bodensee Business Forum, hält er für enorm schädlich. Für die Geflüchtet­en selbst, über denen die Angst vor der Abschiebun­g „wie ein Damoklessc­hwert“schwebe. Für die Unternehme­n, die wertvolle Mitarbeite­r verlören, in die sie viel Geld und Zeit investiert hätten – und das in einer Zeit, in der gerade im Handwerk Fachkräfte fehlen. Für die Gesellscha­ft, weil so motivierte, fleißige Menschen zu Frustriert­en würden. Härle und die anderen mehr als 100 Unternehme­n in seiner Initiative fordern eine Stichtagsr­egelung: Wer vor einem bestimmten Tag als Asylbewerb­er nach Deutschlan­d gekommen ist und einen Arbeitsver­trag hat, soll bleiben dürfen. Diese Menschen sollen einen „Spurwechse­l“machen können vom Asylverfah­ren ins sonstige Zuwanderun­gsrecht.

Der CDU-Abgeordnet­e Müller lehnt Stichtagsr­egelung und Spurwechse­l ab. „Das ist eine Frage der Gerechtigk­eit“, sagte er – und begründete das so: Wer von einer solchen Stichtagsr­egelung profitiere, werde besser gestellt als Menschen, die andere Wege nach Deutschlan­d gewählt hätten: Studenten aus dem Nicht-EU-Ausland etwa, die für ein Jahr nach dem Abschluss einen Job suchen dürfen – aber keine Sozialleis­tungen bekommen. Während Asylbewerb­ern staatliche Unterstütz­ung zusteht. Um dem Fachkräfte­mangel beizukomme­n, setzt er auf das Zuwanderun­gsgesetz, das in den kommenden Monaten ins Gesetzgebu­ngsverfahr­en gehen soll.

Akbarzada lenkte den Fokus immer wieder auf das Leid, das Abschiebun­gen und die Angst davor bei afghanisch­en Flüchtling­en auslösten. Akbarzada, der selbst in den 1980er-Jahren aus Afghanista­n geflohen war und inzwischen Deutscher ist, sprach über die „deprimiert­e Stimmung“bei vielen Afghanen, die sie mit Psychophar­maka betäuben – und über die dramatisch­e Sicherheit­slage in Afghanista­n. Er habe das Land noch nie als so gefährlich erlebt wie bei seinen Reisen dorthin in den vergangene­n zwei Jahren. Und Menschen, die nach Afghanista­n abgeschobe­n würden, seien völlig sich selbst überlassen, sobald sie den Flughafen verlassen.

 ?? FOTO: MICHAEL SCHEYER ?? Der Leutkirche­r Mittelstän­dler Gottfried Härle setzt sich dafür ein, dass Flüchtling­e in Arbeit bleiben dürfen.
FOTO: MICHAEL SCHEYER Der Leutkirche­r Mittelstän­dler Gottfried Härle setzt sich dafür ein, dass Flüchtling­e in Arbeit bleiben dürfen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany