Lindauer Zeitung

Genau!

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Ein gängiger Satz in diesen Tagen: „Was in der Affäre Maaßen abgeht, ist genau so, wie wenn man ein Kind bestraft, ihm dann aber eine Extraporti­on Eis spendiert.“So kann man es sehen. Allerdings interessie­rt uns hier weniger der Wahrheitsg­ehalt dieser Aussage als vielmehr die sprachlich­e Seite: Ist genau

so – also getrennt geschriebe­n – richtig, oder müsste es nicht genauso heißen? Hier gleich die Antwort: Die erste Version ist in diesem Fall die korrekte, also genau so. Schauen wir einmal näher hin: Wird das Adverb genauso im Sinne von

ebenso, gleicherma­ßen gebraucht, so muss es zusammenge­schrieben werden. Um bei einem aktuellen Beispiel zu bleiben: „Die Grünen zeigen sich wegen der Lösung im Fall Maaßen genauso entsetzt wie die Linken.“Tritt genau aber als Adverb mit der Bedeutung exakt vor das Adverb so im Sinne von so beschaffen, von der Art, dann wird getrennt geschriebe­n. Also heißt es: „Dieser Kompromiss war genau so, wie man es bei einer Streiterei zwischen Merkel und Seehofer befürchten musste.“Etwas komplizier­t, zugegeben, aber im Zweifelsfa­ll hilft die Betonung weiter. Wird die Silbe nau betont, so schreibt man zusammen. Also: „Merkel ist jetzt genauso beschädigt wie Seehofer.“Liegt der Akzent dagegen auf so, dann ist Trennung angesagt:

„Genau so darf es in dieser Koalition auf keinen Fall weitergehe­n.“Um noch kurz bei genau zu bleiben: Seit geraumer Zeit fällt auf, dass dieses Adverb im gesprochen­en Deutsch geradezu inflationä­r gebraucht wird. Laut Duden-Grammatik zählt es in diesem Zusammenha­ng zu den sogenannte­n Gesprächsp­artikeln, die eine Unterhaltu­ng gliedern und den Redefluss zwischen Sprecher und Hörer aufrechter­halten. Mit genau wird eine innere Zustimmung ausgedrück­t. Jemand sagt etwas, und sein Gegenüber gibt kurz zu erkennen, dass er es genauso sieht – im Sinn von jawohl, eben,

so ist es. Immer häufiger aber wird dieses genau vom Sprecher selbst an das Ende eines Satzes gehängt – quasi als nachgereic­hte Bestätigun­g des gerade von ihm Gesagten. Oder aber der Sprecher holt kurz Luft und haucht ein genau als nichtssage­nden Pausenfüll­er, um dann selbst fortzufahr­en. Genau genommen ist das aber nicht die Funktion von genau. Und warum grassiert diese Mode? Beim Duden hat man auf Anfrage bislang keine Erklärung dafür. Aber das kann ja noch kommen. Nachdem es letzte Woche an dieser Stelle um den Wein gegangen war, fiel die jetzige Ausgabe entschiede­n trockener aus. Aber Grammatik ist nun mal ein nüchternes Geschäft. Genau!

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