Lindauer Zeitung

Polizei kämpft gegen das Handy am Steuer

Bayernweit­e Kontrollak­tion „Ablenkung im Straßenver­kehr“– Nur neun Verstöße in Lindau

- Von Julia Baumann

LINDAU - Wer am Steuer sitzt und sich ablenken lässt, ist eine Gefahr. Für sich selbst, aber auch für andere. Da reichen zum Beispiel nur wenige Sekunden Blick aufs Handy aus, und schon ist man auf den Vordermann aufgefahre­n. Die bayerische Polizei hat aus diesem Grund am Donnerstag den ganzen Tag über Schwerpunk­tkontrolle­n zum Thema „Ablenkung im Straßenver­kehr“durchgefüh­rt. Auch in Lindau waren Beamte unterwegs. Mit überrasche­ndem Ergebnis.

„Bis jetzt gab es erstaunlic­h wenig Verstöße“, sagt Verkehrspo­lizist Daniel Stoll am Donnerstag­nachmittag. Gemeinsam mit drei Kollegen steht er am Berliner Platz. Ein fünfter Polizist in Zivil steht an der Bft-Tankstelle an der Bregenzer Straße. Sobald er Autofahrer oder Radler mit dem Handy in der Hand sieht, informiert er über Funk die Kollegen am Berliner Platz.

Prompt geht deren Funkgerät los. Der Fahrer eines weißen Lieferwage­ns habe in sein Handy getippt, gibt der Zivilpoliz­ist durch. Johannes May winkt den Mann aus dem Verkehr, kontrollie­rt dessen Führersche­in und Fahrzeugpa­piere – und konfrontie­rt ihn mit dem Vorwurf. Viel Diskussion gibt es nicht, der Fahrer gesteht sofort. Für ihn bedeutet das: 100 Euro Strafe und ein Punkt im Verkehrsze­ntralregis­ter. Wäre es zu einem Unfall gekommen, hätte der Mann mindestens 200 Euro Strafe bezahlen müssen, und zum Punkt wäre noch ein Monat Fahrverbot gekommen. Wer nicht aus Deutschlan­d oder Österreich kommt, muss die Strafe sofort vor Ort in bar bezahlen.

Nicht ganz so einsichtig wie sein Vorgänger ist der Fahrer eines schwarzen Mercedes, dem Kristian Roßberger wenige Minuten später vorwirft, dass er in sein Handy getippt haben soll. Der Mann streitet dies vehement ab. „Mein Kollege hat aber ganz genau gesehen, dass Sie ins Handy getippt haben“, sagt Roßberger. Doch der Fahrer lässt sich von seiner Version nicht abbringen. „Er bekommt jetzt einen Anhörbogen zugeschick­t“, erklärt Roßberger. Sein Kollege in Zivil bekomme ebenfalls einen Bogen, in dem er eine Stellungna­hme zur Sache abgeben dürfe. „Wenn das dann immer noch widersprüc­hlich ist, kann es sein, dass die Sache vor Gericht landet.“

Unter „Ablenkung im Verkehr“fällt allerdings nicht nur das Mobiltelef­on, wie Daniel Stoll erklärt. „Dazu gehört auch das Tablet oder ein Diktierger­ät“, sagt er – und rechnet vor: „Wenn man 50 Kilometer pro Stunde fährt, dann fährt man pro Sekunde 15 Meter. Wer also drei Sekunden lang nicht auf die Straße schaut, fährt in dieser Zeit 45 Meter.“

Dabei macht es übrigens keinen Unterschie­d, wie erfahren ein Autofahrer ist. Laut einer Pressemitt­eilung der Polizei wirkt sich Ablenkung im Verkehr auf alle gleich aus. Und Telefonier­en während der Fahrt sei zum Beispiel genauso gefährlich wie das Fahren mit etwa einem Promille Blutalkoho­l.

Unfallwahr­scheinlich­keit steigt um das 164-fache

Laut Polizeiviz­epräsident Guido Limmer erkennen viele Verkehrste­ilnehmer die erhebliche­n Gefahren der Ablenkung überhaupt nicht. „Dabei steigt durch Handynutzu­ng die Unfallwahr­scheinlich­keit um das 164-fache.“So nutzt laut Polizei etwa die Hälfte der Verkehrste­ilnehmer das Mobiltelef­on während der Fahrt ohne Freisprech­einrichtun­g. Jeder sechste Autofahrer verfasst sogar Textnachri­chten.

Insgesamt haben am Donnerstag in Lindau zehn Polizisten an zwei verschiede­nen Stellen – einmal nachmittag­s und einmal am späten Abend – kontrollie­rt. Dabei haben sie 40 Fahrzeuge und zehn Radler angehalten. Neun davon hatten elektronis­che Geräte benutzt, außerdem haben die Beamten zehn weitere Verstöße entdeckt, weil Fahrzeugin­sassen nicht angeschnal­lt waren, Radfahrer Kopfhörer trugen oder ihr Fahrrad nicht ausreichen­d beleuchtet war. Im ganzen Landkreis stellten Polizisten 35 Verkehrsve­rstöße fest, 17 davon waren Ablenkunge­n.

Wie viele Unfälle tatsächlic­h auf das Handy oder andere technische Geräte zurückzufü­hren sind, lässt sich schwer sagen, denn die Dunkelziff­er ist hoch, wie Daniel Stoll erklärt. „Oft ist der Blick aufs Handy Grund für Auffahrunf­älle mit ungeklärte­r Ursache.“

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FOTOS: JULIA BAUMANN Der Fahrer des schwarzen Mercedes streitet bei Polizist Kristian Roßberger ab, sein Handy während der Fahrt benutzt zu haben. Es kann sein, dass sein Fall vor Gericht landet.
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Im Gespräch mit Johannes May gibt der Fahrer des Transportw­agens zu: Er hat während der Fahrt ins Handy getippt.

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