Lindauer Zeitung

Die Linke im Köchlin: Kleines Publikum spricht über große Probleme

Nur sechs Lindauer kommen zu Susanne Ferschl und Michael Schlotter – Gemeinsam diskutiere­n sie Konzepte für eine bessere Welt

- Von Julia Baumann

LINDAU - Von einem vollen Haus konnten die Linken am Donnerstag­abend nicht sprechen: Waren anfangs nur drei Lindauer zur Wahlkpampf­veranstalt­ung in den Gasthof Köchlin gekommen, füllte sich der Saal im Laufe des Abends immerhin mit insgesamt sechs Menschen. Nicht so schlimm war es da, dass auch ein Teil der Politiker mit Abwesenhei­t glänzte. Denn auch in der kleinen Runde entstand eine lebhafte Diskussion über die ganz großen gesellscha­ftlichen Themen.

Eigentlich sollten daran neben der Bundestags­abgeordnet­en Susanne Ferschl und Michael Schlotter, Landtagska­ndidat für den Stimmkreis Lindau-Sonthofen, auch die Lindauer Landtagska­ndidatin Lina Lausberg und Kevin Caprano, Stimmkreis­kandidat für die Bezirkstag­swahl, teilnehmen. Doch beide ließen sich von Karl Schweizer entschuldi­gen. Sie, weil sie Flyer verteilen, er, weil er auf eine wichtige Universitä­tsprüfung lernen musste.

So stellten eben nur Michael Schlotter und Susanne Ferschl ihre Arbeit vor. Der 19-jährige Michael Schlotter ist seit vier Jahren Mitglied der Linken. „Es muss sich einiges ändern in Sachen Pflegenots­tand“, erklärte er zu Beginn der Veranstalt­ung. Außerdem wolle er sich für die Stärkung des öffentlich­en Personenna­hverkehrs in der Region einsetzen. „Wenn man hier kein Auto hat, ist man aufgeschmi­ssen.“Und dann sei da noch ein Thema, das ihm besonders am Herzen liege, auch, wenn es schwierig zu fassen sei: der Friede. „Wir haben in Bayern auch Waffenschm­ieden, und nicht wenige.“

Genau gleich lang Parteimitg­lied wie der junge Kollege, dafür aber bereits seit einem Jahr Bundestags­abgeordnet­e, ist Susanne Ferschl, die vorher 25 Jahre lang Betriebsra­tschefin bei der Firma Nestlé war. „Die Lebensund Arbeitsbed­ingungen der Menschen zu verbessern liegt mir am Herzen“, sagte sie. Da könne es zum Beispiel nicht sein, dass in Deutschlan­d das eine Prozent der Reichsten ein Drittel des gesamten Vermögens besitze – und es im Gegensatz dazu etwa vier Millionen arme Kinder gebe.

Ferschl: Leiharbeit­er sind Beschäftig­te zweiter Klasse

Auch die Situation der Leiharbeit­er in Deutschlan­d beschäftig­e sie. „Sie bekommen nicht nur weniger Geld, sie sind auch immer Beschäftig­te zweiter Klasse“, sagte Ferschl. Dies bestätigte einer der Zuhörer. „Ich habe es selber mal gespürt, wie man sich fühlt als Leiharbeit­er“, erzählte er. „Es gab immer zwei Gruppen: die Stammbeleg­schaft und die Leiharbeit­er.“Die Leiharbeit­erfirmen müssten eben einen eigenen Betriebsra­t gründen, fand Karl Schweizer. „Aber das machen nur wenige.“ Für Michael Schlotter steht dieses Problem stellvertr­etend für ein seiner Meinung nach allgemeing­esellschaf­tliches: Die Entsolidar­isierung. „Es wird gespalten zwischen Leuten, die eigentlich das gleiche Interesse haben.“

Grundlos befristete Arbeitsver­träge lehnt Susanne Ferschl komplett ab, auf den Mindestloh­n hingegen ist sie stolz. „Den schreiben wir uns auf die Fahnen“, sagte sie. Allerdings müsse der Stundensat­z unbedingt auf mindestens zwölf Euro erhöht werden. Denn das sei gleichzeit­ig ein erster Schritt gegen die Altersarmu­t, von der in Bayern fast jeder fünfte Rentner betroffen sei, vor allem aber Frauen. Söders Familienge­ld hält Ferschl für einen „schlechten Witz“.

Zum Thema Rente haben beide Politiker eine strikte Meinung –und zwar eine sehr ähnliche: „Alle sollen in die Rentenkass­e einzahlen, auch Selbststän­dige, Beamte und Politiker“, sagte Ferschl. Michael Schlotter pflichtete ihr bei. Seiner Meinung nach mache sowieso nur eine umlagefina­nzierte Rente Sinn – und die funktionie­re nur, wenn alle einzahlten.

Eine Frau aus dem Publikum berichtete, dass es sie frustriere, wie lang es teilweise dauere, bis die Politik Themen umsetze. Ein Mann warnte davor, dass sich so manche Rede eines AfD-Politikers ganz ähnlich anhöre, wie die eines Linken-Politikers. Und das mit voller Absicht. „Da muss man aufpassen. Nicht umsonst hat sich die NSDAP Arbeiterpa­rtei genannt“, sagte er.

„Wenn es nicht gerechter wird, dann zersetzt sich die Gesellscha­ft“, sagte Karl Schweizer zum Ende des Abends hin. Und sein junger Parteifreu­nd Schlotter ergänzte: „Jeder, der sagt, dass er es anders sieht, soll mitmachen. Die Linke ist eine Mitmachbew­egung.“

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FOTO: JULIA BAUMANN Susanne Ferschl und Michael Schlotter stellen sich im Gasthof Köchlin den wenigen Lindauern vor, die gekommen sind.
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FOTO: BESCH UND PARTNER Auf Grundlage eines ersten Entwurfs haben die Verkehrspl­aner von Besch und Partner mit interessie­rten Bürgern die künftigen Hauptroute­n für den Fahrradver­kehr in Lindau diskutiert. Die Skizze zeigt grob fünf Korridore, in denen die Verantwort­lichen nun geeignete Wege und Straßen suchen oder schaffen sollten.
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