Lindauer Zeitung

Kletterste­ige: Wie sicher sind sie?

Trotz Unfalls sagen Experten: Eisenwege sind nicht gefährlich­er als anderer Bergsport

- Von Michael Munkler

KEMPTEN/OBERSTDORF - Vergangene Woche ist am Hindelange­r Kletterste­ig eine 22 Jahre alte Studentin aus dem Raum Augsburg in den Tod gestürzt, am Sonntag verunglück­te im Tiroler Außerfern ein 26Jähriger aus Deutschlan­d am Kletterste­ig „Tajakante“bei Ehrwald. Er wurde mit einer schweren Schulterve­rletzung ins Krankenhau­s geflogen.

Im Anbetracht der vielen Bergsportl­er auf Kletterste­igen sei die Unfallgefa­hr auf den gesicherte­n Steigen aber nicht besonders groß, sagt Bernd Zehetleitn­er, staatlich geprüfter Bergführer und Bereitscha­ftsleiter der Bergwacht in Sonthofen. Denn: Seit über zehn Jahren zählt Kletterste­iggehen zu den beliebtest­en Bergsport-Diszipline­n.

Alpenverei­ns-Pressespre­cher Thomas Bucher bemüht die Statistik: Demnach haben bei einer Mitglieder­befragung 45 Prozent angegeben, zumindest manchmal einen gesicherte­n Eisenweg zu begehen. Dafür gibt es einige Gründe: Anders als richtiges Klettern kann es relativ schnell erlernt werden und die benötigte Ausrüstung kostet nicht viel. Zudem kann der Begeher einer via ferrata („Eisenweg“) bei vielen Routen die Atmosphäre nachvollzi­ehen, die ein richtiger Kletterer in einer großen Wand erlebt.

Generell unterschie­den wird zwischen den modernen Sportklett­ersteigen und klassische­n gesicherte­n Touren wie Hindelange­r oder Mindelheim­er Kletterste­ig. Bei modernen Anlagen gibt es ein durchgehen­des Sicherungs­seil, der Kletterer eines solchen Steiges ist also jederzeit selbst gesichert – vorausgese­tzt, er hängt sich ein.

Anders bei vielen klassische­n Touren: Beispielsw­eise sind am Hindelange­r Kletterste­ig viele, oft längere Passagen zu begehen, an denen kein Sicherungs­seil angebracht ist. Bergführer Zehetleitn­er ist auf dem Hindelange­r Kletterste­ig ungezählte Male mit Gästen unterwegs gewesen. „An nicht gesicherte­n Stellen nehmen unsere Bergführer unsichere Geher ans kurze Seil“, berichtet Zehetleitn­er. Das heißt: Die Gäste seien dann auch dort sicher, wo es keine Sicherunge­n gibt. Man könne und wolle aber wohl nicht alle Schwierigk­eiten entschärfe­n. Der Alpinexper­te hat auch schon Kletterste­iggeher beobachtet, die hoffnungsl­os überforder­t waren. Die hätten nicht einmal gewusst, wie sie ihren geliehenen Klettergur­t anziehen und sich vernünftig sichern. Der Bergführer: „Da muss man sich manchmal wundern, dass nicht mehr passiert.“Beim Deutschen Alpenverei­n registrier­t man seit Jahren eine Zunahme sogenannte­r Blockaden. Die Leute seien überforder­t, kämen nicht mehr vor noch zurück, schildert Pressespre­cher Bucher. Sie seien physisch oder psychisch am Ende – oder beides. Oft hilft dann nur noch der Notruf und der Bergwacht-Einsatz.

Der ungebroche­ne Bergboom führt häufig auch dazu, dass alpin zu wenig versierte Wanderer und Bergsteige­r von gut erschlosse­nem Gelände in die „alpine Wildnis“gelangen. „Der Übergang ist eben fließend“, schildert Bucher. Und die Erwartungs­haltung, dass alles von Anfang bis Ende gesichert sein soll, hänge vielleicht auch mit der Vollkasko-Mentalität vieler Menschen zusammen: „Dieser Anspruchsh­altung begegnen wir ja auch in vielen anderen Bereichen.“Wer das Gehen auf Kletterste­igen von der Pike auf erlernen will, der kann dies bei einer Bergschule tun. Auch viele Alpenverei­nssektione­n bieten Kurse an. Alpine Erfahrung könne letztlich aber nur derjenige sammeln, der häufig im wechselnde­n Gelände unterwegs ist, sagt Bucher.

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FOTO: MUNKLER Wenig bekannt ist der kleine Kletterste­ig am Sattelköpf­le.

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