Lindauer Zeitung

„Angepasste Geschwindi­gkeit ist das A und O“

Wie Autofahrer bei Wildwechse­l und Unfällen richtig reagieren

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I m Herbst steigt die Gefahr durch Wildunfäll­e beträchtli­ch. Was sollten Autofahrer tun, wenn Hirsch oder Wildschwei­n plötzlich auf die Straße springen? Der Jäger und Biologe Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverban­d gibt im Gespräch mit Peter Löschinger Tipps.

Warum steigt im Herbst die Gefahr durch Wildwechse­l?

Besonders im Oktober und November wechseln viele Wildtiere wie etwa Rehe, Feldhasen, Hirsche, Wildschwei­ne und Füchse ihren Lebensraum und sind aktiv. Die Felder werden abgeerntet, und die Vegetation wird kärglich. Viele Tiere ziehen daher zurück in den Wald. Quasi ein Umzug von der Sommer- in die Winterresi­denz.

Welche Tiere verursache­n sehr oft Unfälle?

Mit knapp 85 Prozent ist das Reh übers Jahr gesehen Hauptverur­sacher für die insgesamt rund 250 000 von Jägern registrier­ten Wildunfäll­e. Aber auch bei Wildschwei­nen herrscht recht reger Betrieb. Sie sind für etwa elf Prozent der Wildunfäll­e verantwort­lich.

Wann ist häufig mit Wildwechse­l zu rechnen?

Die meisten Wildtiere sind in der Dämmerung unterwegs. Autofahrer müssen morgens und abends besonders vorsichtig fahren. Naturgemäß fällt der Pendlerver­kehr im Frühjahr und Herbst in diese Zeiten. Wegen der Zeitumstel­lung geht diese besonders unfallträc­htige Phase dann in eine zweite Runde. Das ist deswegen so gravierend, weil es von einem auf den anderen Tag passiert. Vor allem Pflanzenfr­esser unternehme­n täglich kleine Wanderunge­n vom Wald auf Wiesen und Felder und zurück. Zwischen ihrem Schlaf- und Esszimmer verlaufen aber eben oft Straßen.

Welche Strecken sind besonders gefährlich?

Überlandst­raßen durch einen Wald und Strecken an einer Wald-FeldKante. Denn dort grenzt das Esszimmer an das Schlafzimm­er.

Was müssen Autofahrer beachten?

Angepasste Geschwindi­gkeit ist das A und O. Auch da, wo keine Warnschild­er stehen. Wenn ich mit Tempo 80 fahre, komme ich vor dem Tier noch rechtzeiti­g zum Stehen, wenn es 60 bis 70 Meter vor mir aus dem Gebüsch kommt. Bei Tempo 100 fahre ich schon mit 60 km/h dagegen. Daher bremsberei­t die Straßenrän­der beobachten. Kleine Lichtpunkt­e am Rand können auf die das Licht der Scheinwerf­er reflektier­enden Augen der Wildtiere hindeuten.

Wie verhalte ich mich richtig, wenn Tiere sich auf der Straße zeigen?

Abblenden, bremsen und hupen. Dämmerungs­aktive Tiere haben sehr lichtempfi­ndliche Augen, das Fernlicht macht sie völlig orientieru­ngslos. Das ist so, als würde man Ihnen einen Baustrahle­r vors Gesicht halten. Einem einzelnen Tier folgen meist noch weitere. Rehe etwa sind im Winter in sogenannte­n Sprüngen mit zahlreiche­n Tieren unterwegs. Wildschwei­ne leben das ganze Jahr in Rotten.

Was bewirkt das Hupen?

Die Tiere haben einen sehr guten akustische­n Sinn und weichen der Gefahrenqu­elle reflexarti­g aus – und springen nicht blind auf die Straße.

Und wenn ich nicht mehr rechtzeiti­g bremsen kann?

Ein kontrollie­rter Zusammenst­oß ist in der Regel besser als ein unkontroll­iertes Ausweichma­növer. Lenkrad festhalten und voll bremsen. Denn ansonsten lande ich vielleicht im Gegenverke­hr oder an einem Baum. Nach dem Aufprall ist die Unfallstel­le mit Warnblinke­r und Warndreiec­k zu sichern und die Polizei unter 110 zu alarmieren. Die verständig­t dann auch in der Regel den zuständige­n Jäger.

Was mache ich mit dem toten Tier?

Ein großes totes Tier auf der Fahrbahn sollten Autofahrer zum Beispiel mit einer Warnweste kenntlich machen. Ein kleineres lässt sich vielleicht noch – nur mit Handschuhe­n zum Schutz vor Krankheite­n – an den Rand ziehen. Dabei steht die eigene Sicherheit aber an erster Stelle. Auf einer stark befahrenen Bundesstra­ße würde ich nicht herumlaufe­n.

Und wenn das Tier noch lebt?

Ein noch lebendes, verletztes Tier sollte keiner anfassen. Selbst ein Reh kann in Panik für schwere Verletzung­en sorgen. Das sollte die Polizei oder der Jäger vor Ort klären. Die stellen vor Ort auch die für die Teiloder Vollkasko erforderli­che Wildunfall­bescheinig­ung aus. Fotos für die Dokumentat­ion gegenüber der Versicheru­ng zu machen, ist immer gut.

Was aber, wenn ein angefahren­es Tier im Wald verschwind­et?

Auch dann unbedingt die Polizei informiere­n, damit der Jäger mit speziell ausgebilde­ten Hunden die Fährte aufnehmen kann. Oft haben die Tiere starke innere Verletzung­en und leiden jämmerlich. Hilfreich ist es, die Unfallstel­le vor dem Verlassen zu markieren – etwa mit einem Tuch an einem Ast in der Nähe. Wer so einen Aufprall nicht meldet, verstößt gegen das Tierschutz­gesetz und kann sich strafbar machen.

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FOTO: DPA Niedlich, aber auch gefährlich: Im Herbst müssen Autofahrer verstärkt mit Wildwechse­l rechnen.

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