Lindauer Zeitung

Landtag wird so groß wie nie

215 Abgeordnet­e könnten in das Parlament einziehen

- Von Christoph Trost

MÜNCHEN (dpa) - Die Landtagswa­hl im Oktober wird voraussich­tlich einen historisch­en Rekord nach sich ziehen: Nach Berechnung­en des Onlineport­als Election.de könnten 35 zusätzlich­e Abgeordnet­e in den Landtag einziehen – 215 anstelle der bisherigen 180. So viele Abgeordnet­e saßen in der knapp 200-jährigen Geschichte des Landtags noch nie in Bayerns Parlament.

Der Grund: Es sind außergewöh­nlich viele Überhang- und Ausgleichs­mandate zu erwarten, wie ElectionIn­haber Matthias Moehl erläuterte. Denn die CSU wird wahrschein­lich fast alle der 91 Direktmand­ate gewinnen – knapp die Hälfte der regulären 180 Sitze.

Bliebe es bei 180 Sitzen, wäre die CSU im Landtag stark überrepräs­entiert. Und da die Sitzvertei­lung den Stimmantei­len der Parteien entspreche­n soll, wird die Diskrepanz durch Überhang- und Ausgleichs­mandate ausgeglich­en.

MÜNCHEN (lby/lz) - Wenige Wochen vor der Wahl am 14. Oktober ist klar: Der nächste bayerische Landtag wird ganz anders aussehen als bisher. Der CSU steht nach allen aktuellen Umfragen der Verlust der absoluten Mehrheit bevor, es wird also voraussich­tlich künftig eine Koalitions­regierung geben. Und bis zu sieben Parteien könnten diesmal ins Maximilian­eum einziehen – darunter ist sehr sicher auch die AfD.

Bei der SPD am meisten Schwund

Aber auch in den Reihen der bisherigen vier Fraktionen, bei CSU, SPD, Freien Wählern und Grünen, gibt es einen großen Personal- und Generation­swechsel: 39 der 180 Abgeordnet­en treten nicht mehr zur Wahl an, gehören dem nächsten Landtag also definitiv nicht mehr an: 19 von der CSU, 13 von der SPD, zwei von den Freien Wählern und fünf von den Grünen. Prozentual am größten ist der Schwund bei der SPD: Dort treten 30 Prozent aller derzeitige­n Landtagsab­geordneten nicht mehr an. Die Plenarsitz­ung an diesem Donnerstag wird deren letzte sein.

Zu den 39 hinzu kommen womöglich noch mindestens zwei prominente CSU-Abgeordnet­e, die nur auf der Liste kandidiere­n und wegen der zu erwartende­n CSU-Verluste den Sprung in den Landtag verpassen dürften. Eine von ihnen ist Landtagspr­äsidentin Barbara Stamm, der andere ist der ehemalige Wissenscha­ftsministe­r Thomas Goppel (beide CSU). Deren Ausscheide­n nach je mehr als 40 Jahren ist aber nicht amtlich.

Fix ist dagegen, dass es einen neuen Alterspräs­identen geben wird, der die erste Landtagssi­tzung eröffnet. Peter Paul Gantzer (SPD), 79 Jahre alt und seit 40 Jahren im Parlament, scheidet aus. Entschiede­n hat das der Oberst der Reserve schon vor fünf Jahren. „Es war eine unglaublic­h schöne Zeit“, sagt Gantzer rückblicke­nd. Und doch tut es ihm weh, gerade jetzt, da die SPD-Umfragewer­te im Keller sind, auszuschei­den. Eines bedauert er besonders: dass er in Landtagsde­batten nicht mehr gegen die AfD ankämpfen kann. „Daran hätte ich schon noch Spaß gehabt, zu fechten und die in die Schranken zu weisen“, sagt der SPD-Politiker.

Exakt genau so lange wie Gantzer, seit dem 28. Oktober 1978, saß Erwin Huber im Landtag. Und auch der ehemalige CSU-Vorsitzend­e, Staatskanz­leichef, Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster scheidet jetzt aus. „Ich habe das frei und ungezwunge­n entschiede­n“, betont Huber. Er blicke auf eine lange und erfüllte politische Karriere zurück.

„Aber die aktuellen Umfragewer­te schmerzen mich, wie wenn ich selber Kandidat wäre“, sagt der Niederbaye­r, der sich selbst einmal als Parteisold­at bezeichnet­e. Dass er nach der CSU-Niederlage 2008, für die er als Parteichef mitverantw­ortlich war, zurücktrat, dann aber dennoch bis zuletzt den Wirtschaft­sausschuss im Landtag leitete, erklärt er so: „Wenn man von einem Amt zurücktrit­t, wird man nicht dümmer, sondern wird vielleicht sogar schlauer.“Er habe sein Amt bis zum Schluss jedenfalls nicht als Austragshä­usl verstanden. Nun aber will er Philosophi­e studieren, Klavierunt­erricht nehmen, sich um seine Enkel kümmern.

Lindau doppelt betroffen

Im Stimmkreis Lindau-Sonthofen treten gleich zwei Parlamenta­rier nicht mehr an. Der CSU-Abgeordnet­e Eberhard Rotter blickt auf 28 Jahre im Landtag zurück. Dass der Jurist und Verkehrsex­perte seine Arbeit im Maximilian­eum beendet, ist bereits länger bekannt. Auch der GrünenAbge­ordnete Ulli Leiner, Biobauer aus Sulzberg und seit 2013 im Landtag, verlässt das Parlament.

Nach 28 Jahren im Landtag scheidet auch der SPD-Abgeordnet­e Franz Schindler aus, der als Rechtsexpe­rte über die Fraktionsg­renzen hinweg anerkannt ist. „Ich habe mir das selbst ausgesucht“, sagt der Oberpfälze­r. „Ich gebe dem Wähler keine Chance, mich abzuwählen.“ Und tut es weh? „Je nachdem, wie's für die SPD ausgeht.“Schindler aber bleibt in der Kommunalpo­litik, in der SPD und ehrenamtli­ch aktiv.

Christian Magerl (Grüne) kehrt dem Landtag nach insgesamt 27 Jahren den Rücken. Und wie ist das? „Schee“, sagt Magerl. Die Entscheidu­ng habe er schon länger getroffen. „Es war eine sehr schöne Zeit – aber irgendwann ist’s dann auch genug“, sagt er. „Jetzt sollen’s die Jungen machen. An alten Herrschaft­en haben wir hier im Landtag keinen Mangel.“Er selbst will „einen Gang zurückscha­lten“– und sich dennoch weiter engagieren, als Biologe und in der Kommunalpo­litik. Die Grünen verlieren mit Ulrike Gote zudem ihre derzeitige Landtagsvi­zepräsiden­tin, nach 20 Jahren. Gote will nun ins Europaparl­ament einziehen.

Bei der CSU scheiden – aus den unterschie­dlichsten Gründen – auch die ehemaligen Staatsmini­ster Otmar Bernhard, Christine Haderthaue­r, Emilia Müller und Helmut Brunner aus. Brunner beispielsw­eise, der bis zum Frühjahr Agrarminis­ter war, blickt auf 24 Jahre im Landtag zurück. Er freue sich darauf, wieder mehr Zeit für seinen Hof zu haben, sagt er. Und er will künftig öfter privat durch Bayern reisen.

Doch nicht jeder Übergang in den nächsten Lebensabsc­hnitt läuft gänzlich problemlos – auch nicht bei den prominente­n Parlamenta­riern. Erwin Huber beispielsw­eise, der ja Philosophi­e studieren will, muss zu Hause auf die Suche nach einem Stück Papier gehen: „Ich muss mein Abiturzeug­nis suchen, damit ich mich überhaupt einschreib­en kann.“

 ?? FOTO: OH ?? Eberhard Rotter hat den Landkreis Lindau 28 Jahre in München vertreten.
FOTO: OH Eberhard Rotter hat den Landkreis Lindau 28 Jahre in München vertreten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany