Schwäbischer Heimattag: „Was futsch ist, ist futsch!“
Christoph Hölz hat Angst um die Villa Engel – Weingut Schmidt ist positives Neubau-Beispiel
LINDAU - Der 40. Schwäbische Heimattag wurde in Lindau gefeiert. Die schwäbischen Heimatpfleger haben zuletzt 1978 in Lindau getagt. Am vergangenen Wochenende haben sie interessante Referate gehört und Exkursionen durch die Lindauer Altstadt und die Lindauer Villenlandschaft unternommen. Ein Vortrag des renommierten Spezialisten für Baukunst Christoph Hölz im historischen Alten Rathaus eröffnete den Vortragsreigen.
Der diesjährige Heimattag befasste sich mit der Frage der Ortsentwicklung, dem Ortsbild und der Ortsgestaltung. Mit dem Ziel, die Stadt- und Landschaftsqualität von Lindau zu zeigen und nach Möglichkeiten der Pflege und Weiterentwicklung gemäß heutiger Anforderungen zu fragen. Heimatpfleger gebe es übrigens nur in Bayern. „Sie sind die Berater von Stadt und Landkreisen, versuchen aufzuzeigen, was erhaltenswert ist und geben die Freude an der Heimat weiter. Heimatpflege wäre nicht möglich ohne die Unterstützung vieler Menschen“, sagte die Lindauer Ortsheimatpflegerin Marigret Brass-Kästl. „Ohne das Engagement unserer Vorfahren hätten unsere Städte heute kein Gesicht“, betonte Johann Zeh in Vertretung des Landrates die Wichtigkeit das Bewusstsein für Heimat bei allen Bürgern zu schärfen.
Lindau ist ein Juwel
Dozent Christoph Hölz ist in Lindau wohlbekannt. Er ist in Wangen geboren und unter anderem Autor des Buches „Weite Blicke. Landhäuser und Gärten am bayerischen Bodenseeufer“, das 2010 erschienen ist. Seit 2004 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Leiter des Archivs für Baukunst an der Universität Innsbruck. Sein Thema des Abends lautete „Stadt- und Ortsbildschutz. Kontinuität und Wandel“. Hölz holte weit aus. Sprach von weltweiten Bausünden und täglichen Schreckensmeldungen, wenn wieder erhaltenswerte Baukultur dem Neubau eines Hotelbunkers zum Opfer gefallen ist. Vom dem Verkehr geschuldeten Landfraß. Vom Artenschwund im Tierreich. Vom Städtebau ohne jegliche Kunst. Von miserabler Architektur, vor allem in Gewerbegebieten, die eigentlich gar nicht mehr so heißen dürfe. Vom Wahnsinn, der rund um die Olympiadörfer stattfinde.
Identität stiftende Bauwerke
Der Strukturwandel bedrohe ganze Städte und Regionen. Und das Schlimme sei: „Diese Stadtbilder sind keine Schwarzbauten. Die hat jemand so genehmigt. Da läuft doch etwas schief.“Er bemängelt „öde Architektur, die aus weißen Würfeln mit Flachdach“bestehe. Wangen und Lindau bezeichnete er als kleine Juwelen, die Bewunderung verdient haben. „Ich kenne keinen Architekten, der so ein Stadtbild neu schaffen könnte.“Wenn er durch Lindau gehe, fallen ihm manche gute Lösungen auf, manchmal dräue ihm aber auch Ungutes. Zum Bahnareal in Reutin meinte er: „Ich kann nur davor warnen, Relikte aus dem vergangenen Jahrhundert der Gewinnmaximierung zu opfern und einfach nur abzureißen.“Die Geschichte der Stadt Lindau sei so eng mit der Bahn verbunden – diese Geschichte müsse lesbar bleiben. Seinen Gefallen findet die Eilguthalle – die sei ein sehr gelungenes Beispiel für den Erhalt von Baukultur.
Die Inselhalle sei ein sehr radikaler Eingriff gewesen, der aber eine deutliche Verbesserung zur vorherigen Situation biete. „Ich finde die Inselhalle sehr geglückt“, lobte er. Unruhe bereite ihm Aeschach, das in seinen Augen zu sehr dem Verkehr zum Opfer falle. „Moderner Ortsbildschutz müsste anders aussehen.“Er rät dazu, vor allem auf die alten Gebäude in der Anheggerstraße aufzupassen. Und noch etwas bereite ihm Sorge: Was passiert mit der Villa Engel, in der seit eh und je die Stadtgärtnerei untergebracht ist, wenn diese wirklich an den Stadtrand verlegt wird? „Das sind erhaltenswerte, Identität stiftende Bauwerke. Ich habe Angst, dass hier Sünden passieren werden.“
Überhaupt kein Bauchweh sondern Freude bereite ihm das Weingut Schmidt in Hattnau als Beispiel für einen gelungenen Neubau. „Es ist in einmaliger Harmonie in die Kulturlandschaft eingebettet. Als ob es schon immer dort gestanden hätte. Da haben die Vorarlberger Architekten Ludescher und Lutz eine Glanzleistung vollbracht.“
Bezirksheimatpfleger Peter Fassl hatte das Schlusswort des Abends, noch völlig überwältigt vom sprachlichen Feuerwerk, das Hölz abgefeuert hatte: „Wir sehen, wie wichtig es ist, dass wir Heimatpfleger die Probleme der Ortsbildgestaltung sichtbar machen. Es gehen Werte verloren, wenn unbedacht Bestand vernichtet wird. Wenn etwas futsch ist, dann ist es für immer futsch!“