Chefsache Dieselstreit
Ob Hardware-Nachrüstungen kommen und wer sie bezahlt, soll sich am Freitag entscheiden
BERLIN (dpa) - Dieselbesitzer sollen für neue Maßnahmen gegen Fahrverbote in Städten nicht mit zur Kasse gebeten werden – jedenfalls aus Sicht der Bundesregierung. „Bei möglichen Hardware-Nachrüstungen für deutsche Diesel ist mein Ziel, die Selbstbeteiligung der Halter auf null zu setzen“, erklärte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am Dienstag.
Zuvor waren erste Überlegungen bekannt geworden, dass Autobauer für bestimmte Pkw bis zu einem Preis von 3000 Euro 80 Prozent der Kosten von Motorumbauten tragen könnten. Autobesitzer müssten dann womöglich bis zu 600 Euro dazuzahlen, wie das „Handelsblatt“berichtete. Die SPD verlangt eine Finanzierung durch die Hersteller. Verbraucherschützer und Opposition reagierten empört.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte, die Autobauer hätten das Problem mit zu hohem Stickoxidausstoß verursacht. „Ich erwarte, dass der Verkehrsminister ein Konzept vorlegt, das die Hersteller in die Pflicht nimmt und nicht die Dieselfahrer.“Auch SPD-Chefin Andrea Nahles forderte, die Firmen müssten zahlen. SPD-Fraktionsvize Sören Bartol sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Die Idee der Hersteller, die Kosten der technischen Nachrüstung teilweise an ihre Kunden weiterzureichen, erschließt sich mir noch nicht.“
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnte eine Beteiligung der Autobesitzer ebenfalls ab. Es könne nicht sein, dass sie am Ende die finanzielle Last tragen müssten. Ein falsches Signal wäre auch, wenn die Steuerzahler als Ganzes dafür aufkommen müssten. In Bayern ist am 14. Oktober Landtagswahl.
Der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, nannte es „bitter und unverschämt“, wenn Autobesitzer, denen nichts vorzuwerfen sei, 300 bis 600 Euro tragen sollten. „Hier erwarten wir ein Machtwort der Kanzlerin, dass Verursachergerechtigkeit weiterhin gelten muss.“Die Linke-Verkehrsexpertin Ingrid Remmers sprach von einer „bodenlosen Frechheit“. Die Autokonzerne müssten vollständig die Kosten einer flächendeckenden Nachrüstung tragen.
Umbauten an der Abgastechnik gehören zu den Überlegungen nach einem Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Chefs der deutschen Autobranche am vergangenen Sonntag. Scheuer machte deutlich, dass eine Selbstbeteiligung Teil eines vorgelegten Konzepts war. Er habe aber auch kein Problem, sie aus dem Modell zu entfernen, sagte er in München. Darüber wolle er nun mit den Herstellern reden. Hintergrund des Gedankens ist demnach eine Wertsteigerung, wenn nachgerüstete Pkw in Verbotszonen fahren dürfen.
Die Regierung strebt bis diesen Freitag eine Verständigung auf ein Gesamtkonzept an. Dann ist ein Treffen bei Merkel geplant. Teilnehmen sollen neben Scheuer und Schulze auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Am Montag kommender Woche soll sich dann auch der Koalitionsausschuss von Union und SPD damit befassen.
Nach langem Streit hat das jüngste Urteil zu Fahrverboten in der Stadt Frankfurt Bewegung in die Debatte gebracht. Merkel, die mehrfach gegen Umbauten an Motoren argumentiert hatte, änderte ihre Meinung. In Hessen wird am 28. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Im Gespräch ist nach Angaben aus Koalitionskreisen nun, dass – in begrenztem Umfang – neue Euro-5-Fahrzeuge technisch nachgerüstet werden könnten.
Die Autobauer lehnen HardwareNachrüstungen als zu aufwendig ab und warnen vor technischen Nachteilen. Eine Haftung für Umbauten wollten sie nicht übernehmen, wie das „Handelsblatt“berichtete. Diese könnte bei den Anbietern von Umrüste-Technik liegen. Scheuer äußerte ebenfalls Bedenken. Seine erste Priorität seien attraktivere Anreize der Hersteller, damit mehr Autobesitzer alte Diesel in Zahlung geben und sich ein neues Auto kaufen. „Mein Ziel ist es auch, dass der Wertverlust für gebrauchte Diesel von den Autoherstellern ausgeglichen wird.“
Umstiegsangebote für Halter
Im Gespräch sind solche Umstiegsangebote für Halter in 65 Städten mit Grenzwertüberschreitungen durch Dieselabgase und in einem noch zu bestimmenden Umland für Pendler, wie es in Koalitionskreisen hieß. Infrage kommen könnte dies für den Kauf eines weniger umweltschädlichen Diesels, eines Benziners oder eines Elektro-Autos – möglicherweise nicht nur für Neuwagen, sondern auch für Gebrauchte. Nach dem Dieselgipfel 2017 hatten die deutschen Autohersteller schon Prämien gestartet. Diese Angebote nahmen mehr als 200 000 Kunden in Anspruch, wie es im Juli hieß.
Die SPD-Fraktion untermauerte am Dienstag in einem Beschluss ihre Forderung nach Hardware-Nachrüstungen für Diesel-Pkw der Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 auf Kosten der Hersteller – wo technisch möglich und wirtschaftlich vertretbar. „Wer Fahrverbote vermeiden will, darf sich nicht nur auf Busse, Kommunalfahrzeuge oder Transporter beschränken“, sagte Umweltministerin Schulze. Scheuer hatte ein Förderangebot auch für Lieferdienste und Handwerker angekündigt – wie schon für Busse und Wagen etwa von Müllabfuhr oder Feuerwehr.