Lindauer Zeitung

„Zum Ende hin ist uns alles erlaubt“

Die Erste Allgemeine Verunsiche­rung hört nach über 40 Jahren auf

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MÜNCHEN (dpa) - Bald hat sich’s ausgeküsst: Die Erste Allgemeine Verunsiche­rung (EAV) macht nach mehr als 40 Jahren Schluss und verabschie­det sich mit einem letzten Album samt Abschiedst­ournee. Die österreich­ische Band, vor allem bekannt für Spaßhits wie „Küss die Hand, schöne Frau“oder „Märchenpri­nz“bekannt, kann aber auch ganz anders. Im Interview sprechen Sänger Klaus Eberhartin­ger (68) und Gitarrist Thomas Spitzer (65) über politisch bedenklich­e Entwicklun­gen und die Zeit nach der EAV.

Der Titel des Verabschie­dungsalbum­s lautet „Alles ist erlaubt“. Wie ist der Titel gemeint?

Spitzer: Das ist das Motto unserer Zeit. Man kennt heute weder verbal noch moralisch irgendwelc­he Grenzen – alles scheint erlaubt zu sein. Sowohl vonseiten der Menschen im Internet als auch vonseiten der Politik. Was heute jeder Politiker an Verfassung­sfeindlich­em sagen darf, da wäre er vor 20 Jahren noch seines Amtes enthoben worden. Eberhartin­ger: Der Titel ist aber nicht nur politisch gemeint, sondern wendet sich tatsächlic­h auch an uns: Zum Ende hin ist uns alles erlaubt und das Album ist auch ein Geschenk an uns. Von uns wurde immer verlangt, dass die Kritik ein humoristis­ches Gewand hat. Diesmal fragt man sich oft: Und wann kommt der Gag?

Weil es nichts mehr zu lachen gibt?

Eberhartin­ger: Das Album ist einfach zeitadäqua­t. Es gibt heute eine unglaublic­he Toleranz dem früher Unerhörten gegenüber. Es ist schamlos, wie die Rechten immer mehr in die Mitte rücken und die extremen Rechten mitrücken – das ist eine bedenklich­e Entwicklun­g.

Herr Spitzer, Sie haben vor ein paar Jahren mal gesagt, dass Sie sich in einem „EAV-Tralala-Kor- sett“fühlen und haben sich deswegen auch zeitweise von der Band verabschie­det. Ist das der Grund, warum Sie nun aufhören?

Spitzer: Überhaupt nicht, wir sind nicht mehr die Jüngsten und es ist einfach an der Zeit, Zeit für was anderes zu haben. Der Tralala-Kommentar galt eher den Live-Konzerten.

Trotzdem werden Sie vor allem mit den Spaß-Hits im Gedächtnis bleiben, obwohl Sie schon immer sehr politische Texte hatten. Stört sie das?

Spitzer: Ach nein. Für diese Lieder braucht man sich doch nicht zu schämen. Wir waren damals sehr erfolgreic­h und haben eine Nische gefunden. Jede Band hat ihre Zeit und heute wäre der „Märchenpri­nz“oder der „Banküberfa­ll“vermutlich ein Vollflop – dafür gibt es mittlerwei­le viel zu viele Comedians. Und dass die EAV noch funktionie­rt, sieht man ja an den verkauften Tickets. Eberhartin­ger: Das liegt aber auch vielleicht daran, dass wir jetzt endlich aufhören (lacht).

Sie haben Ihre Abschiedst­our mit dem Zusatz „Die erste“versehen. Ist das ein Abschied auf Raten?

Spitzer: Auf keinen Fall. Wir hören in der Form definitiv auf. Es war eine wunderbare Zeit, aber bald ist Schluss.

Und was kommt danach?

Spitzer: Musik und Texte schreiben und vor allem Malen. Ich habe noch über 200 nicht veröffentl­ichte Lieder daheim liegen, die nicht in das EAV-Korsett passen. Eberhartin­ger: Wir werden in den Unruhestan­d gehen und sicher auch noch das eine oder andere zusammen machen. Ich habe noch Projekte im Fernsehen und auf der Bühne und will mehr Zeit für Hilfsorgan­isationen in Afrika haben. Und vielleicht lerne ich Kochen und Kitesurfen. Spitzer: Aber Kitesurfen bitte erst nach der Tournee. Bei seinem ersten Versuch hat er sich nämlich gleich mal sieben Rippen gebrochen.

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FOTO: DPA „Wir werden in den Unruhestan­d gehen“, sagen Sänger Klaus Eberhartin­ger (links) und Gitarrist Thomas Spitzer von der EAV.

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