„Das Allgäu steht im Brennpunkt“
Vorsitzender des Vogelschutzbundes sieht Verein nicht als „Nein-Sager aus Prinzip“
KEMPTEN/OBERSTDORF - Das Riedberger Horn, die Pläne für ein Wasserkraftwerk in der Eisenbreche bei Bad Hindelang, für einen Schneiteich und eine neue Bahn im Skigebiet Grasgehren: Das Allgäu stehe derzeit „im Brennpunkt“des Landesbundes für Vogelschutz (LBV), sagte Landesvorsitzender Dr. Norbert Schäffer im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch das sei ein Grund dafür, dass die Jahresversammlung des Verbands im Oktober in Oberstdorf stattfindet. Der LBV hat im Allgäu etwa 5000, bayernweit 90 000 Mitglieder. Der Kemptener Ethelbert Babl tritt bei der Delegiertenversammlung als stellvertretender LBV-Vorsitzender an. Schäffer will erneut für den Vorsitz kandidieren.
Die Befürworter der SkischaukelPläne am Riedberger Horn und anderer Erschließungsprojekte hatten dem Verband wiederholt vorgeworfen, er betreibe eine Blockadepolitik. Babl und Schäffer weisen das mit Nachdruck zurück. „Wenn wir etwas fordern, begründen wir das – auf wissenschaftlicher Basis“, sagt Schäffer beim Redaktionsgespräch. Und Babl bekräftigt: „Wir sind keine Nein-Sager aus Prinzip.“
Aber es gebe eben auch Projekte, die aus Sicht des Naturschutzverbandes nicht genehmigungsfähig sind. Dazu gehöre der Schneiteich auf Grasgehren in einem ökologisch sehr sensiblen Bereich. Da sollten 36 000 Kubikmeter Aushub bewegt werden: „Das ist schon eine ordentliche Baustelle“und die sei nicht akzeptabel, sagt Babl. Deswegen habe der LBV gegen das Projekt geklagt. Babl sagte, es habe andere mögliche Standorte gegeben, gegen die der LBV nichts einzuwenden gehabt hätte.
Auch den Neubau der Hörnlebahn sieht der LBV kritisch. Man prüfe derzeit die Pläne, sagt Schäffer. Dann werde rasch entschieden, ob auch dagegen geklagt werde. Generell habe der LBV nichts gegen den Ersatz veralteter Liftanlagen. Die neue Hörnlebahn als Ersatz für zwei alte Schlepplifte reiche aber etwas höher hinauf und die Trasse sei versetzt. Für den versprochenen naturverträglichen Tourismus am Riedberger Horn fehle dem LBV ein Gesamtkonzept“, moniert Babl. Der LBV sei zu einer konstruktiven Mitarbeit bereit, sagt er: „Wir bringen uns ein.“Von Besucherlenkung in ökologisch wertvollen Gebieten ist derzeit viel die Rede – nicht nur am Riedberger Horn. Immer neue Aktivitäten in der Natur können zur Belastung für Flora und Fauna werden. Schäffer nennt als Beispiele das nächtliche Skitouren- und Schneeschuhgehen. Oder den E-Bike-Boom. Generell setzt der LBV auf Freiwilligkeit. „Wir wollen nicht unbedingt ordnungsrechtliche Lösungen“, sagt Babl. Lieber seien dem Verband Einschränkungen auf freiwilliger Basis wie bei der Aktion „Respektiere Deine Grenzen“. Schäffer: „Aber wenn wir mit Freiwilligkeit nicht weiterkommen, brauchen wir Ordnungsrecht.“Man habe prinzipiell nichts gegen das Skifahren, sagt Babl. Ein Dorn im Auge sei dem LBV aber das bayerische Seilbahnförderprogramm. Schäffer vermutet, dass vielen Steuerzahlern wohl gar nicht bekannt sei, dass mit ihrem Geld Seilbahnen und Beschneiungsanlagen mit subventioniert werden.
Wolf: Abschuss kein Tabu
Und wie hält es der LBV mit dem Wolf ? „Der Wolf ist nicht das einzige Natur- und Artenschutzthema“, sagt Schäffer und ergänzt: „Wir nehmen die Sorgen der Bauern und Älpler sehr ernst.“Den Bauern nur zu sagen, sie müssten ihre Herden durch einfache Zäune besser sichern, sei naiv.
Wenn gewissenhafte und zumutbare Herdenschutzmaßnahmen überwunden werden oder beispielsweise aufgrund der Geländesituation nicht möglich sind und dann erhebliche Schäden auftreten, dürfe auch die Entnahme von einzelnen Wölfen kein Tabuthema sein. Man brauche aber keine neuen Gesetze, da nach geltendem Recht in Ausnahmefällen ein Wolf geschossen werden könne. Wie kompromissbereit der LBV sei, zeige sich bei der Diskussion über die Kormorane. Nicht ganz leichten Herzens habe man einem Abschuss im Interesse der Fischwirtschaft zugestimmt. Das sei vertretbar – „wenn es einer Art gut geht“.
Nicht verwundert war Schäffer nach eigenen Worten über das Ergebnis der Studie zum Insektensterben. „Verwundert hat mich viel mehr das mediale Echo“, sagt er und spricht von einer „ganz bitteren Bilanz“: Innerhalb weniger Jahrzehnte sei die Hälfte allen Lebens in der Agrarlandschaft verloren gegangen. Der LBV-Vorsitzende will aber nicht nur negativ sehen. Er sagt optimistisch: „Die Menschen wollen mehr Natur.“Deshalb engagierten sich immer mehr im LBV. Schäffer: „Lernen in und mit der Natur ist etwas zutiefst Befriedigendes.“