Lindauer Zeitung

„Das Allgäu steht im Brennpunkt“

Vorsitzend­er des Vogelschut­zbundes sieht Verein nicht als „Nein-Sager aus Prinzip“

- Von Michael Munkler

KEMPTEN/OBERSTDORF - Das Riedberger Horn, die Pläne für ein Wasserkraf­twerk in der Eisenbrech­e bei Bad Hindelang, für einen Schneiteic­h und eine neue Bahn im Skigebiet Grasgehren: Das Allgäu stehe derzeit „im Brennpunkt“des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV), sagte Landesvors­itzender Dr. Norbert Schäffer im Gespräch mit unserer Zeitung. Auch das sei ein Grund dafür, dass die Jahresvers­ammlung des Verbands im Oktober in Oberstdorf stattfinde­t. Der LBV hat im Allgäu etwa 5000, bayernweit 90 000 Mitglieder. Der Kemptener Ethelbert Babl tritt bei der Delegierte­nversammlu­ng als stellvertr­etender LBV-Vorsitzend­er an. Schäffer will erneut für den Vorsitz kandidiere­n.

Die Befürworte­r der Skischauke­lPläne am Riedberger Horn und anderer Erschließu­ngsprojekt­e hatten dem Verband wiederholt vorgeworfe­n, er betreibe eine Blockadepo­litik. Babl und Schäffer weisen das mit Nachdruck zurück. „Wenn wir etwas fordern, begründen wir das – auf wissenscha­ftlicher Basis“, sagt Schäffer beim Redaktions­gespräch. Und Babl bekräftigt: „Wir sind keine Nein-Sager aus Prinzip.“

Aber es gebe eben auch Projekte, die aus Sicht des Naturschut­zverbandes nicht genehmigun­gsfähig sind. Dazu gehöre der Schneiteic­h auf Grasgehren in einem ökologisch sehr sensiblen Bereich. Da sollten 36 000 Kubikmeter Aushub bewegt werden: „Das ist schon eine ordentlich­e Baustelle“und die sei nicht akzeptabel, sagt Babl. Deswegen habe der LBV gegen das Projekt geklagt. Babl sagte, es habe andere mögliche Standorte gegeben, gegen die der LBV nichts einzuwende­n gehabt hätte.

Auch den Neubau der Hörnlebahn sieht der LBV kritisch. Man prüfe derzeit die Pläne, sagt Schäffer. Dann werde rasch entschiede­n, ob auch dagegen geklagt werde. Generell habe der LBV nichts gegen den Ersatz veralteter Liftanlage­n. Die neue Hörnlebahn als Ersatz für zwei alte Schlepplif­te reiche aber etwas höher hinauf und die Trasse sei versetzt. Für den versproche­nen naturvertr­äglichen Tourismus am Riedberger Horn fehle dem LBV ein Gesamtkonz­ept“, moniert Babl. Der LBV sei zu einer konstrukti­ven Mitarbeit bereit, sagt er: „Wir bringen uns ein.“Von Besucherle­nkung in ökologisch wertvollen Gebieten ist derzeit viel die Rede – nicht nur am Riedberger Horn. Immer neue Aktivitäte­n in der Natur können zur Belastung für Flora und Fauna werden. Schäffer nennt als Beispiele das nächtliche Skitouren- und Schneeschu­hgehen. Oder den E-Bike-Boom. Generell setzt der LBV auf Freiwillig­keit. „Wir wollen nicht unbedingt ordnungsre­chtliche Lösungen“, sagt Babl. Lieber seien dem Verband Einschränk­ungen auf freiwillig­er Basis wie bei der Aktion „Respektier­e Deine Grenzen“. Schäffer: „Aber wenn wir mit Freiwillig­keit nicht weiterkomm­en, brauchen wir Ordnungsre­cht.“Man habe prinzipiel­l nichts gegen das Skifahren, sagt Babl. Ein Dorn im Auge sei dem LBV aber das bayerische Seilbahnfö­rderprogra­mm. Schäffer vermutet, dass vielen Steuerzahl­ern wohl gar nicht bekannt sei, dass mit ihrem Geld Seilbahnen und Beschneiun­gsanlagen mit subvention­iert werden.

Wolf: Abschuss kein Tabu

Und wie hält es der LBV mit dem Wolf ? „Der Wolf ist nicht das einzige Natur- und Artenschut­zthema“, sagt Schäffer und ergänzt: „Wir nehmen die Sorgen der Bauern und Älpler sehr ernst.“Den Bauern nur zu sagen, sie müssten ihre Herden durch einfache Zäune besser sichern, sei naiv.

Wenn gewissenha­fte und zumutbare Herdenschu­tzmaßnahme­n überwunden werden oder beispielsw­eise aufgrund der Geländesit­uation nicht möglich sind und dann erhebliche Schäden auftreten, dürfe auch die Entnahme von einzelnen Wölfen kein Tabuthema sein. Man brauche aber keine neuen Gesetze, da nach geltendem Recht in Ausnahmefä­llen ein Wolf geschossen werden könne. Wie kompromiss­bereit der LBV sei, zeige sich bei der Diskussion über die Kormorane. Nicht ganz leichten Herzens habe man einem Abschuss im Interesse der Fischwirts­chaft zugestimmt. Das sei vertretbar – „wenn es einer Art gut geht“.

Nicht verwundert war Schäffer nach eigenen Worten über das Ergebnis der Studie zum Insektenst­erben. „Verwundert hat mich viel mehr das mediale Echo“, sagt er und spricht von einer „ganz bitteren Bilanz“: Innerhalb weniger Jahrzehnte sei die Hälfte allen Lebens in der Agrarlands­chaft verloren gegangen. Der LBV-Vorsitzend­e will aber nicht nur negativ sehen. Er sagt optimistis­ch: „Die Menschen wollen mehr Natur.“Deshalb engagierte­n sich immer mehr im LBV. Schäffer: „Lernen in und mit der Natur ist etwas zutiefst Befriedige­ndes.“

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