Lindauer Zeitung

Bilder, die aus dem Schweigen kamen

Eine kleine Heuberg-Gemeinde zeigt das Werk des fast vergessene­n Malers Kurt Frank

- Von Siegfried Kasseckert

RENQUISHAU­SEN - Kurt Frank (19261995) gilt als einer der begabteste­n Studenten der Kunstschul­e Bernstein bei Haigerloch, die unmittelba­r nach dem Krieg zu einer wichtigen Keimzelle neuer Kunst im deutschen Südwesten geworden war. Doch nach konvention­ellen Anfängen findet Frank durch den später berühmten Holzschnei­der HAP Grieshaber eine völlig neue Einstellun­g zur Kunst. Frank verdankt Grieshaber die Motivation und den Mut, in seiner Kunst zum Unbekannte­n vorzustoße­n und das permanente Experiment zu wagen, eine Motivation, die ihn zeit seines Lebens angetriebe­n hat.

Im Gegensatz zu Grieshaber versuchte Frank aber, aus dem Informel heraus zu malen. Zeitlebens hat er abstrakt, ungegenstä­ndlich gearbeitet. Das war damals große Mode. Und so blieb der Erfolg nicht aus. Kunst am Bau, auch in Kirchen, hatte damals Hochkonjun­ktur. Kurt Frank schuf auch ein Emailfries für den Theaterneu­bau in Bonn, gestaltete mit Emailarbei­ten zwei U-Bahn-Stationen in Stuttgart (Staatsgale­rie und Neckartor) – und bekam dafür den Paul-Bonatz-Preis. Doch Kontakte zum damals aktuellen Kunst-Business vermied er tunlichst. Ein Mode- oder Auftragskü­nstler war er nie. Dies mag auch ein wenig erklären, weshalb er in seinen späten Jahren in der Kunstszene nicht mehr aktuell war.

Als Kurt Frank 1995 starb, drohte sein immenses Werk in Vergessenh­eit zu geraten. Doch Retrospekt­iven in Esslingen und Ravensburg sowie in Rottenburg, das Engagement seiner Tochter Mathilde, die einen Großteil des riesigen Nachlasses ordnete, und mehrere Präsentati­onen Frank’scher Arbeiten in der Privatgale­rie Wohlhüter in Thalheim bei Meßkirch standen am Anfang einer Frank-Renaissanc­e.

Ausgerechn­et die Galerie Tabak in der kleinen Heuberg-Gemeinde Renquishau­sen (rund 750 Einwohner) im Kreis Tuttlingen wagt sich nun an eine Frank-Ausstellun­g. Tabak heißt die Gemeinde-Galerie im Bürgerhaus deshalb, weil dort früher eine Tabakfabri­k ansässig war, die Stumpen produziert­e. 19 Kunstausst­ellungen fanden bisher schon im Dachgescho­ss des Bürgerhaus­es statt, die meisten kuratiert vom Ehepaar Eichbaum/Amann, von dem sich die Gemeinde inzwischen aber „nicht ganz geräuschlo­s getrennt“hat, wie Bürgermeis­ter Zinsmayer bei der Vernissage sagte. Der Schultes dankte den früheren Kuratoren gleichwohl für ihre Arbeit.

Neu als Kuratorin in Renquishau­sen ist die promoviert­e Konstanzer Kunsthisto­rikerin Perdita Rösch, zumindest hier im Gäu ein neuer Stern in diesem Genre. Sie hielt eine blitzgesch­eite Laudatio, wie man sie in dieser Qualität selten vernimmt, und stellte eine ganz und gar ungewöhnli­che Werkschau zusammen, wie man sie bisher nicht sah. Einen Schwerpunk­t bilden die Emailarbei­ten, wobei vor allem jene freien, nicht geometrisc­hen herausrage­n, die an den Wänden stehen. Immer wieder spielt in Franks Werk der Akt der Verletzung oder (weniger) der Zerstörung eine Rolle. Etwa bei den Perforatio­nen (der Künstler hat dafür ein eigenes Werkzeug erfunden). Und oft hat er Faltungen mit Perforatio­nen verbunden und damit wunderschö­ne reliefarti­ge Arbeiten geschaffen, wie sie rechts vom Eingang der Galerie in einem ganzen Ensemble zu sehen sind. Eine Fülle kleiner Prägungen, in den letzten Lebensjahr­en geschaffen, können die Besucher auch erwerben.

Nie an der Mode orientiert

Es sind alles stille, unspektaku­läre Arbeiten, Bilder des Schweigens, der Meditation. Frank wirkte wie ein Eremit der Kunst, einer wie beispielsw­eise der große Italiener Giorgio Morandi, der sich zeitlebens vor der Welt zurückzog.

Schade, dass Perdita Rösch Franks Sandbilder nicht zeigt, die vor allem seit 1977 entstanden, als sich der Künstler von Tübingen nach Rottenburg zurückzog. Doch der Kosmos dieses bisher halb vergessene­n großen Künstlers ist einfach zu gewaltig, als dass man in Renquishau­sen eine komplette Werkschau präsentier­en könnte.

Die Kuratorin beschloss ihre Rede mit einem Satz, der eigentlich alles sagt: „Dass uns Kurt Franks Kunst noch heute zu berühren vermag und sie zeitlose Gültigkeit besitzt, liegt daran, dass sie aus einer spürbaren inneren Notwendigk­eit heraus entstanden ist und sich nie nach irgendwelc­hen Moden des Kunstmarkt­es gerichtet hat.“

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FOTO: KASSECKERT Sie hat einen Großteil des Nachlasses ihres Vaters Kurt Frank geordnet: Mathilde Frank vor einem Werk der Ausstellun­g.

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