Lindauer Zeitung

Novy zieht Bilanz: „Es geht um das einzelne Kind“

Langjährig­er Leiter des Staatliche­n Schulamtes geht in Ruhestand – So manche Entwicklun­g in der Schule sieht er kritisch

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LINDAU (olwi) - Seit elf Jahren ist Thomas Novy aus Weiler-Simmerberg fachlicher Leiter des Staatliche­n Schulamtes in Immenstadt und damit für 90 Grund-, Mittel- und Privatschu­len in den Landkreise­n Lindau und Oberallgäu sowie der Stadt Kempten mit rund 1500 Lehrkräfte­n zuständig. Kurz nach seinem 64. Geburtstag geht er als Schulamtsd­irektor in den Vorruhesta­nd. In dieser Woche werden ihn Regierungs­präsident Dr. Erwin Lohner und die Landräte verabschie­den. In seiner Bilanz blickt er zurück, kritisiert aber auch aktuelle Entwicklun­gen.

Viel zu früh stehen seiner Ansicht nach beispielsw­eise „Kinder, Eltern und Lehrer unter einem riesigen Druck“, wenn am Ende des vierten Schuljahre­s die Entscheidu­ng zwischen Mittel-, Realschule oder Gymnasium fallen muss. Immer weniger Eltern melden ihren Nachwuchs auf der Mittelschu­le an. Ein Trend, den Novy schon zu einer Zeit erlebte, als er selber noch Lehrer war, bevor er ins Schulamt wechselte. Ein Trend, der in jüngster Zeit immer mehr zunimmt – und den Novy mit Blick auf die Gesellscha­ft als bedenklich ansieht. An der Mittelschu­le liege einer der Schwerpunk­te auf handwerkli­chen Fähigkeite­n. „Wir brauchen kreative Leute, die selbstbewu­sst an ihren Beruf rangehen“, sagt der 64-Jährige. Daher plädiert er „für ein anderes System als das der Aussortier­ung“. Finnland nennt Novy als Beispiel, wie es anders gehe. Bis zu zwölf Jahren gemeinsame­r Unterricht aller Schüler sei ein denkbarer Weg. „Zudem muss die Frage erlaubt sein, ob wir in den ersten sechs Jahren Noten brauchen“, sagt er. Es gehe nicht um den Erhalt von Mittelschu­len: „Es geht nur um das einzelne Kind.“

Novy ist einen für Schulräte typischen Weg gegangen. Seiner Ausbildung zum Grund- und Hauptschul­lehrer an der Pädagogisc­hen Hochschule in Augsburg folgte ein Referendar­iat in Lindenberg. Danach unterricht­ete er an den Schulen in Scheidegg und Weiler, bevor er 1988 zum Seminarlei­ter und damit für die Lehrerausb­ildung im Landkreis Lindau zuständig wurde. 2001 wechselte der Weilerer dann ins Schulamt, das damals noch seinen Sitz in Lindau hatte. Nach der Zusammenle­gung 2005 wurde Novy zwei Jahre später zum fachlichen Leiter der Behörde ernannt.

„Eine höchst Kräfte zehrende Tätigkeit“

Manches habe sich positiv verändert in den vergangene­n zehn Jahren. „Die Klassen sind kleiner geworden“, nennt Novy ein Beispiel. Allerdings sei eine bessere Lehrerbild­ung gefragt, denn: „Früher war ein Lehrer Unterricht­er, heute ist er auch Erzieher.“Der Lehrerberu­f verdiene deshalb mehr Anerkennun­g. Längst sei er kein Halbtagsjo­b mehr, „sondern eine höchst Kräfte zehrende Tätigkeit“. Während die Digitalisi­erung in vielen Schulen vorangetri­eben wird, plädiert Novy für eine möglichst späte Verwendung von PC, Tablet oder Smartphone im Unterricht. „Es geht nicht darum, Informatio­nen aus dem Computer herauszuho­len. Es gilt, selbst Informatio­nen zu produziere­n.“Das sei nichts anderes als das „TrichterWi­ssen“früherer Jahre. Wichtiger sei es, Fähigkeite­n zum Lernen zu vermitteln: „Wir müssen weniger lehren und mehr lernen.“Lehrer sollten Selbstvert­rauen und kreative Fähigkeite­n fördern. Insbesonde­re im Bereich der Grundschul­en ist diese Entwicklun­g aus Novys Sicht auf einem guten Weg.

Die Vorfreude auf seinen Vorruhesta­nd ist bei dem scheidende­n Schulamtsd­irektor groß. Seine sechs Enkel sollen eine große Rolle spielen, das Angeln und die Waldarbeit. Gleich nach seiner Verabschie­dung geht es mit dem Wohnmobil auf Tour. Aber vor allem will er sich noch mehr der Musik widmen. 25 Jahre lang war er Organist und Kirchencho­rleiter in Weiler, stellte das nach dem Wechsel ins Schulamt 2001 aber zurück. Seither beschränkt er sich weitgehend auf das Komponiere­n und hat unter anderem Gedichte von Fridolin Holzer vertont.

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FOTO: OLAF WINKLER Seit elf Jahren leitet Thomas Novy das Staatliche Schulamt in Immenstadt und ist damit auch für Grund- und Mittelschu­len im Kreis Lindau zuständig. Seinen anstehende­n Ruhestand nutzt der Pädagoge für eine stellenwei­se durchaus kritische Bilanz.

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