Rotter wird wieder Herr über seinen Kalender
Nach 28 Jahren als Stimmkreisabgeordneter tritt Eberhard Rotter bei den Wahlen am 14. Oktober nicht mehr an
LINDAU/WEILER - Seit 28 Jahren vertritt er den Landkreis Lindau im bayerischen Landtag und die Politik des Freistaats im Landkreis. Jetzt hört Eberhard Rotter auf: Bei den Wahlen am 14. Oktober tritt er nicht mehr an. Zeit für eine Bilanz.
„Ich freue mich darauf, dass ich nach 28 Jahren etwas mehr Herr über meinen eigenen Terminkalender sein werde“, antwortet Rotter auf die Frage, auf was er sich am meisten freut, wenn die aktive Zeit als Abgeordneter zu Ende geht. Sofort verweist er aber auch darauf, dass er andere Ämter behält: So bleibt er Gemeinderat in Weiler-Simmerberg und Kreisrat. Auch das ein oder andere Ehrenamt in Vereinen wird er weiter ausfüllen. „Und ich bin immer noch als Rechtsanwalt zugelassen“, auch wenn Rotter sicher keine volle Stelle in der Kanzlei mehr ausfüllen wird. „Mit 64 darf man etwas kürzer treten.“
Zudem sieht er sich weiter in der Pflicht, wenn er für seine Heimat etwas tun kann. Denn natürlich hat er nach 28 Jahren als Abgeordneter Kontakte in Behörden, Ministerien und in die Politik. „Die ein oder andere Tür kann man auch öffnen, wenn man nicht mehr im Parlament sitzt“, weiß Rotter, der „mit Dankbarkeit, Freude und Befriedigung“auf die Zeit im Landtag zurückschaut. Denn er habe einiges bewegen können. Und dies auf verschiedenen Ebenen.
Wichtig war ihm dabei immer, keine Klientelpolitik zu machen. Rotter ist zwar überzeugtes CSUMitglied, aber er hat sich immer auch als Ansprechpartner für Landkreisbürger gesehen, die ihr Kreuz bei einer anderen Partei machen. Deshalb hat er aus Überzeugung zum Beispiel auch dem Familienzentrum Minimaxi aus den Kinderschuhen geholfen oder dazu beigetragen, dass der Freistaat in Lindau den ersten Waldkindergarten Bayerns anerkannt hat: „Dabei wusste ich zuerst gar nicht, was ein Waldkindergarten ist.“
Ihm sei es immer darum gegangen, was für die Menschen, für die Städte und Gemeinden wichtig ist. Auch in seinen Sprechstunden, in denen Menschen auch viele persönliche Anliegen vorgebracht haben, habe er nie danach gefragt, wen die Leute denn wählen: „Wenn ich etwas für richtig gehalten habe, dann habe ich das unterstützt.“Leider habe er nicht in jedem Fall helfen können, Scheitern gehöre auch dazu. Auf jeden Fall hätten die Menschen seinen Einsatz geschätzt, meint Rotter. Deshalb habe er ein gutes Ansehen auch bei Mitgliedern anderer Parteien.
Gemäß dem Leitspruch von Papst Johannes XXIII. „Nimm dich nicht so wichtig“sei ihm die Sache immer wichtiger gewesen als seine Person. „Ich werde ja nicht gewählt, um überall in der ersten Reihe zu sitzen.“Er habe sein Amt deshalb immer als Privileg angesehen, habe sich „als Kümmerer und Ombudsmann“verstanden.
Rotter wünscht sich, dass Politiker aller Parteien wieder mehr dazu zurückkehren, diesen Einsatz für die Menschen wichtiger zu nehmen als die eigene Karriere. Dann hätten die Menschen auch wieder mehr Vertrauen in die Politik. Allerdings erlebt er das Gegenteil, denn auch aus der Innensicht des Parlaments hat er den Eindruck, dass der Anteil derjenigen Abgeordneten zunimmt, die erst an sich und dann an das Gemeinwohl denken – in allen Parteien, wohlgemerkt. Er selbst habe sich nie vorgedrängt, Staatssekretär ist er deshalb auch nie geworden.
Ein Beispiel ist für ihn der „überflüssige Streit“in der CSU, der zu immer schlechteren Umfragewerten geführt habe. Anstatt immer wieder das Flüchtlingsthema hochzuspielen, das gar nicht das drängendste Thema der Menschen in Bayern sei, hätte es Rotter besser gefunden, von Anfang an die Erfolge in den Vordergrund zu rücken, welche die CSU in und für Bayern errungen habe. Außerdem müsse die CSU als Volkspartei in der Mitte stehen: „Wir verlieren in der Mitte mehr als wir am rechten Rand gewinnen können.“Außerdem habe mancher an der Parteispitze offenbar vergessen, dass nicht nur vielen Anhängern aus den Kirchen das C im Parteinamen überaus wichtig sei. Das vertrage sich aber nicht mit mancher Wortmeldung zu den Flüchtlingen. Eberhard Rotter
Ein besonderer Erfolg stand bisher noch nie in der Zeitung
Doch mehr will Rotter zu diesem Thema nicht sagen. Er will lieber über Erfolge sprechen. Als verkehrspolitischer Sprecher seiner Partei erinnert er an den Bau der Lindauer Autobahn, an Staats- und Bundesstraßen, vor allem die B31 oder an den Kreisverkehr bei Auers, der vor mehr als 20 Jahren der erste dieser Art war. Zu vielen Geh- und Radwegen kann er Geschichten erzählen, weil er unzählige Telefonate führen musste, bis Zuschüsse flossen oder Genehmigungen möglich waren.
Als leidenschaftlicher Zugfahrer freut sich Rotter natürlich über die
Elektrifizierung der Bahnstrecke nach München, die im Bau ist, und über die Verbesserung der Bahnanbindung: Früher fuhr der letzte Zug von München nach Lindau um 17.57 Uhr ab, seit Juni führe er um 22.20 Uhr – wenn nicht gerade gebaut wird.
Aber bei all diesen großen politischen Themen ist ein Erfolg für Eberhard Rotter bis heute ein ganz vesonderer: Denn vor etwa 15 Jahren kam ein Lindauer in Begleitung eines Kosovaren in seine Sprechstunde. Der Vater lebte mit Frau und fünf Kindern in Lindau, nachdem er vor dem Bürgerkrieg in seinem Heimatland geflohen war. Er hatte sich eine Existenz aufgebaut, hatte eine Arbeit, die Kinder waren gute Schüler – und doch sollte die Familie abgeschoben werden. Doch mit seiner Hilfe konnte die Familie eingebürgert werden. Auch wenn das bis jetzt so nie in der Zeitung stand, hält Rotter das für einen seiner wichtigsten Erfolge.
„Wenn ich etwas für richtig gehalten habe, habe ich das unterstützt.“