Lindauer Zeitung

„Wir fühlen uns über den Tisch gezogen“

Mitarbeite­r des Margaretha- und Josephinen­stifts Kempten fürchten eine Kündigung ohne Abfindung

- Von Peter Januschke

KEMPTEN - Jetzt wurde es für die Mitarbeite­r ernst: Da das traditions­reiche Margaretha- und Josephinen­stift seine stationäre Altenpfleg­e Ende März kommenden Jahres schließt, erhalten 49 Mitarbeite­r ihre Kündigungs­schreiben. Einige haben jahrzehnte­lang in dem Seniorenhe­im gearbeitet und sind jetzt empört darüber, dass es eventuell keinen Sozialplan gibt – und damit keine aus ihrer Sicht ausreichen­de finanziell­e Abfederung. Gestern demonstrie­rten sie deshalb vor dem Rathaus in Kempten: Immerhin hat das Stiftungsa­mt der Stadt das Haus bis 2011 betrieben und Kemptener Kommunalpo­litiker saßen oder sitzen in Gremien der Einrichtun­g. „Der Anwalt der Arbeitgebe­r hat uns wörtlich gesagt, es gibt keine Abschiedsg­eschenke“, sagte eine 54-jährige Pflegerin. „Wir fühlen uns aufs Übelste über den Tisch gezogen.“

Der wirtschaft­liche Betrieb des Margaretha- und Josephinen­stifts ist seit Jahren schwierig, obwohl viele ältere Menschen händeringe­nd nach einem Pflegeplat­z suchen. Der Fachkräfte­mangel, hieß es jüngst, hat die Möglichkei­t, die Betten zu belegen, auf etwa 50 Prozent gedrückt und dies wiederum führte zu einer angespannt­en Lage. Mehrere hunderttau­send Euro mussten über Jahre zugeschoss­en werden. „Wir haben uns nur immer gewundert, warum befristete Arbeitsver­träge von Kollegen nicht verlängert worden sind“, sagte gestern eine 47-Jährige. Zudem seien Auszubilde­nde nicht übernommen worden.

Lange hat das Stiftungsa­mt der Stadt die Einrichtun­g verwaltet. Dann übernahm die Allgäu Pflege gGmbH aus Sonthofen den Betrieb für zwei Jahre, schließlic­h wurde eine eigene gemeinnütz­ige GmbH gegründet, bei der die Margaretha- und Josephinen-Stiftung Gesellscha­fter ist. Eine verstrickt­e Entwicklun­g, die jetzt für die gekündigte­n Mitarbeite­r aber weitgehend­e rechtliche Konsequenz­en hat. Der Arbeitgebe­r, sagt deren Anwalt Guntram Baumann, stellt sich auf den Standpunkt: Es geht um eine karitative Einrichtun­g ohne das Ziel, Gewinne zu machen. Also muss es keinen sogenannte­n Interessen­sausgleich geben. Mit einem solchen Verfahren oder einem Sozialplan werden bei einer Betriebsau­fgabe wirtschaft­liche Nachteile für die Arbeitnehm­er gemildert. Ein Sozialplan wiederum ist nur verpflicht­end für Firmen, die mindestens vier Jahre alt sind. Dies ist bei der gemeinnütz­igen GmbH aber nicht der Fall. Die Stiftung hat der Belegschaf­t zwar ein Angebot gemacht, aber selbst Baumann sagt: „Es ist verständli­ch, dass dieses den Arbeitnehm­ern nicht ausreicht.“

Belegschaf­t will kämpfen

Der Betriebsra­t schaltete jetzt das Arbeitsger­icht ein. Bei einem Termin an diesem Mittwoch wurde vereinbart, eine Einigungss­telle einzuricht­en. „Das heißt aber noch nicht, dass es einen Sozialplan geben wird“, sagt Baumann. „Die wollen uns einfach abserviere­n“, sagte während der Demonstrat­ion ein Beschäftig­ter. „Das lassen wir uns nicht gefallen. Wir werden kämpfen“, sagte die 47Jährige.

Die Belegschaf­t sieht auch die Stadt Kempten in der Pflicht, ihr zu helfen. Die Stiftungss­atzung sieht vor, dass vier Stadträte in ihrem Kuratorium vertreten sind.

Die Stadt Kempten hatte dem Stift vor Wochen angeboten, „den Übergang zu begleiten“, sagte Sozialrefe­rent Thomas Baier-Regnery. Diese Aussage war allerdings auf die Schwierigk­eiten bezogen, für die 48 Bewohner des Seniorenhe­ims einen neuen Platz zu finden – was angesichts der Aufnahmeka­pazitäten in anderen Einrichtun­gen auch nicht leicht ist.

Oberbürger­meister Thomas Kiechle sprach mit den Demonstran­ten und wunderte sich „über die seltsame Kommunikat­ion“des Arbeitgebe­rs. Seine Möglichkei­ten, sich konkret einzuschal­ten, seien allerdings „stark begrenzt“.

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FOTO: RALF LIENERT Mitarbeite­r des Margaretha- und Josefinens­tifts Kempten fühlen sich im Stich gelassen – hier mit Ob Thomas Kiechle und Sozialrefe­rent Thomas Baier-Regnery.

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