Fassbinder lässt die „Welt am Draht“hängen
Premiere im Vorarlberger Landestheater
BREGENZ (lz) - Das Vorarlberger Landestheater lädt am Donnerstag, 4. Oktober, zur österreichischen Erstaufführung des Stückes „Welt am Draht“, von Rainer Werner Fassbinder. Fassbinder habe damit viel von dem vorweggenommen, was heute technisch möglich ist.
Smartphones und andere digitale Endgeräte lassen Menschen heute via Internet in Sekunden in andere, virtuelle Welten eintauchen – fast jeder ist rund um die Uhr online und erreichbar und hinterlässt so Spuren im Cyberspace. Längst ist Fassbinders Fantasie von damals Wirklichkeit geworden. Doch was bedeutet das eigentlich? Was passiert, während wir unbekümmert shoppen, stöbern, recherchieren und in sozialen Medien Kontakte knüpfen? Am Vorarlberger Landestheater inszeniert Niklas Ritter den Stoff von Fassbinder und versucht darauf Antworten zu finden.
Ritter siedelt seine Fassung von „Welt am Draht“in der Gegenwart an. Mittels Kostümen aus verschiedenen Epochen werden verschiedene Zeiten und Ebenen dargestellt. Das Lichtkonzept von Norman Plathe und die Musik von Jan Kersjes rahmen die Figuren ein, die im Zentrum stehen. Felix Defèr spielt die Rolle des Fred Stiller, der nach dem Tod seines Vorgängers die Direktion des Instituts für Kybernetik übernimmt. Das Projekt, das er leitet, heißt Simulacron: eine simulierte Welt, in der sich künstliche Wesen bewegen, die Prognosen über politische und ökonomische Entwicklungen ermöglichen soll. Stiller beginnt Nachforschungen anzustellen und ahnt bald, dass auch er bloß eine Figur in einem Spiel sein könnte. Mehr und mehr gerät die Handlung zum Krimi. Die Schauspieler Felix Defèr, Johannes Frick, Nicolas Garin, Stefan Hartmann, Luzian Hirzel, Jan Kersjes und Katharina Uhland spielen in einer Welt, in der nicht klar ist, was wirklich und was erfunden ist. Stetig wächst der Eindruck, dass womöglich eine höhere Instanz die Geschicke lenkt.
Big Brother is watching us: Und was passiert mit dem digitalen Fußabdruck, den jeder Mensch täglich online hinterlässt? Wer die Daten sammelt, sitzt auf einem Schatz und kann diesen teuer an Werbung und Politik verkaufen. Eine ganze Industrie will möglichst viel von uns und über uns erfahren. Zeit zu fragen: Welche Ziele können damit wirtschaftlich und politisch verfolgt werden? Wo beginnt Manipulation? Das Praktische und das Beunruhigende liegen nah beieinander.